Hückeswagen Hilfe für die "vergessenen Kinder"

Hückeswagen · Das Projekt "Drachenflieger" der Wipperfürther Beratungsstelle Herbstmühle wurde bislang von der Stiftung Familie der RheinEnergie gefördert. Ab 1. Juli übernimmt jedoch der Oberbergische Kreis.

Es ist eine Zahl, die durchaus Angst machen kann: Über drei Millionen Kinder in Deutschland haben Eltern, die mit einer psychischen Erkrankung oder einer Suchterkrankung zu kämpfen haben. Umgekehrt ist jeder fünfte stationär behandelte Patient gleichzeitig auch Vater oder Mutter eines minderjährigen Kindes.

Diese Zahlen sind nicht neu, auch der Wunsch, diesen Kindern helfen zu können, ist es nicht - schon gar nicht in Wipperfürth. Das Projekt "Drachenflieger" der Beratungsstelle Herbstmühle, die auch für Hilfesuchende aus Hückeswagen zuständig ist, war als Hilfestellung für Eltern und Kinder gleichermaßen gestartet. "Das Projekt hat einen langen Vorlauf, inhaltlich sind wir schon zehn Jahre damit zugange", betont Leiter Ansgar Nowak. 2013 wurde das Projekt mit Förderhilfe durch die Stiftung Familie der RheinEnergie gestartet. Diese Förderung wurde nach maximal drei Jahren nun noch einmal um ein halbes Jahr verlängert, damit ein reibungsloser Übergang in die Förderung durch den Oberbergischen Kreis gewährleistet ist. "Wir übergeben jetzt ein Projekt, das läuft und dessen Weiterfinanzierung für 2017/18 gesichert ist", betont Stiftungsvorstand Rolf Menzel.

Das Projekt sei besonders wichtig, weil bei allen Problemen, die die Erwachsenen zweifellos hätten, die Kinder oft hintenanstehen müssten, sagt Nowak: "Das sind oft die 'vergessenen Kinder', und es besteht gerade bei ihnen die Gefahr, selbst eine Problematik wie ihre Eltern zu entwickeln." Nicht nur die Dominanz der Elternprobleme, auch die weitgehende Tabuisierung dieser Probleme würden die Unterstützung der Familiensituation so erschweren, betont der Diplom-Psychologe. "Hilfe von außen ist oft nicht gewünscht: Viele Familien sagen, dass sie intern schon so viel Chaos hätten, dass da nicht auch noch Dritte von außerhalb mit dabei sein sollten." Man habe bei der Herbstmühle dennoch nicht den Auftrag aus den Augen verloren, den Kindern helfen zu wollen.

Federführend für die Umsetzung des Projekts ist seit 2013 die Psychologin Maren Schneider. "Uns war wichtig, ein Beratungsangebot sowohl für Eltern als auch Kinder anzubieten. Das Herzstück ist dabei die Kooperation mit der Fachklinik für seelische Gesundheit in Marienheide", sagt sie. Dort werde seit Februar 2014 einmal pro Woche eine Sprechstunde für Betroffene angeboten.

"Die Gefühle von Schuld und Versagen können dort abgemildert werden. Die Resonanz zeigt, dass ein entsprechender Bedarf vorhanden ist", sagt die Psychologin. In Marienheide würden die Kontakte zur Beratungsstelle und dem "Drachenflieger"-Projekt hergestellt, ergänzt sie: "Die Erfahrung hat gezeigt: Ist in der Sprechstunde eine Vertrauensbasis geschaffen, ist die Bereitschaft für weitere Maßnahmen meist höher."

Zwei dieser Maßnahmen im Rahmen des Projekts seien Gruppentreffen. "Seit etwa einem halben Jahr gibt es Elterngruppen, die Kindergruppen sind seit jeher Teil des Projekts", berichtet Schneider. In den Gruppentreffen gehe es darum, den Kindern die Problematik der Eltern erst begreiflich zu machen. "Früh anzusetzen hilft hier enorm, damit sich Fragen und Unsicherheiten nicht verselbstständigen oder verschleppen", ergänzt Nowak.

Ziel sei es, den Kindern zu zeigen, dass sie mit der Problematik ihrer Eltern nicht alleine sind. Daher werde in den Gruppentreffen ganz offen damit umgegangen. "Es geht aber natürlich auch darum, den Kindern Entlastung zu geben, sie einfach mal Spaß haben zu lassen", betont Schneider. Schließlich sei der Alltag für sie häufig eine große Belastung.

Wichtig ist es den Projektverantwortlichen, nicht zwischen Sucht- und psychischer Erkrankung zu unterscheiden. Schneider: "Es kommen zwar deutlich mehr Eltern mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Ängsten oder Zwangserkrankungen in die Sprechstunde. Aber die Effekte für die Kinder sind die gleichen wie bei suchtkranken Eltern: Es geht in beiden Fällen um Belastungen und ein erhöhtes Stresslevel."

(wow)
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