Hückeswagen Hebammen kommen in existenzielle Nöte

Hückeswagen · Ab 2015 sollen Hebammen keine Haftpflichtversicherung mehr erhalten, wodurch der Berufsstand auszusterben droht. Auch Hausgeburten wären nicht mehr möglich. Die BM sprach mit zwei Hebammen.

 Demonstration von Hebammen vor dem Gesundheitsministerium in Düsseldorf.

Demonstration von Hebammen vor dem Gesundheitsministerium in Düsseldorf.

Foto: BM-Foto Andreas Bretz (Archiv)

Einen Plan B hat Hebamme Alhasa Simone Egger nicht in der Schublade. Wenn keine Versicherung mehr bereit ist, die Haftpflicht der Hebammen zu übernehmen, darf sie nicht mehr als freiberufliche Hebamme arbeiten. "Ich wäre dann arbeitslos", sagt sie mit Blick in die Zukunft. Bisher bietet die 48-Jährige, die in Wermelskirchen, direkt an der Stadtgrenze zu Hückeswagen, lebt und arbeitet, Haus- und Beleggeburten an.

In den vergangenen Jahren ist die Haftpflichtversicherung für Hebammen jedoch explosionsartig gestiegen (s. Kasten). Zum 1. Juli 2015 steigt nun auch die Nürnberger Versicherung aus den beiden letzten verbliebenen Versicherungskonsortien für Hebammen aus. Weder der Deutsche Hebammenverband (DHV) noch der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) haben momentan eine Antwort darauf, wer die Hebammen dann noch gegen eventuelle Fehlbehandlungen versichert. Geburten, sowie Vor- und Nachsorge von Mutter und Kind sind dann nur noch über Krankenhäuser und Ärzte möglich.

Die Zahl der Komplikationen stieg nicht an, jedoch leben kranke und behinderte Kinder durch den medizinischen Fortschritt länger und verursachen daher höhere Kosten. Die Versicherungen wollen daher dieses unkalkulierbare Risiko nicht länger eingehen.

Schon jetzt steht der Verdienst einer Hebamme in keinem Verhältnis zu Aufwand und Risiko, dass sie täglich eingeht. "Es ist mehr als ein Fulltime-Job. Wir tragen die Verantwortung für Menschenleben", betont Alhasa Simone Egger. Eine Lösung könne ihrer Meinung nach nur gefunden werden, wenn eine breitgefächerte Masse der Bevölkerung begreift, dass es um die Existenz eines ganzen Berufsstands geht. "Es ist den Menschen noch gar nicht bewusst, wie ernst die Lage wirklich ist", sagt die gebürtige Hückeswagenerin.

Für Ute Kiehnke sieht die Zukunft nicht ganz so schwarz aus, da sie keine Hausgeburten annimmt. "Ich mache nur Hausbesuche und gebe Kurse", sagt die 38-Jährige. Am Krankenhaus in Wermelskirchen arbeitet die Hückeswagenerin in einer Viertelstelle als Angestellte. "Die übernehmen dann den geburtshilflichen Teil", berichtet die Hebamme. Dabei seien es nicht einmal die Frauen, die bei Fehlbehandlungen klagten. "Oft sind es die Krankenkassen, die beispielsweise bei einer nicht angeschlagenen konventionellen Behandlung die Kosten für einen anschließenden Krankenhausaufenthalt von der Versicherung der Hebamme zurückfordern", erklärt Ute Kiehnke.

Allein um den Versicherungsschutz zu bezahlen, müsse eine Hebamme heute mehr als 60 Stunden arbeiten. "Andere medizinische Berufsgruppen werden bald vor ähnlichen Problemen stehen", befürchtet die Hebamme.

Ute Kiehnke und Alhasa Simone Egger, die viele Schwangere in Hückeswagen betreuen, hoffen nun auf eine Lösung durch den Gesetzgeber. Die Hebammen-Verbände schlagen einen staatlichen Haftungsfond vor, der im Schadensfall die Kosten ab einer bestimmten Obergrenze übernimmt. Denn ganz ohne Police dürfen Hebammen ihre Arbeit nicht weiter ausführen.

Für Alhasa Egger kommt dennoch kein anderer Beruf infrage. "Ich mache das nicht, um damit Geld zu verdienen, sondern sehe es als Lebensaufgabe", versichert die Hebamme aus Leidenschaft.

(RP)
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