Flüchtlinge In Hückeswagen Mohamadi-Sarvari Eine Familie auf der Flucht vor den Taliban

Hückeswagen · Etwa 200 Flüchtlinge haben in Hückeswagen einen sicheren Unterschlupf vor Krieg, Gewalt, Tod und Vertreibung gefunden. Wer sind die neuen Nachbarn? Unsere Redaktion stellt einige von ihnen in einer Serie vor - wie die Familie Mohamadi-Sarvari.

 Milad Mohamadi (r.) hatte als Fahrer für die Russen gearbeitet und sich damit den Zorn der Taliban zugezogen. Daher floh die Familie aus Afghanistan.

Milad Mohamadi (r.) hatte als Fahrer für die Russen gearbeitet und sich damit den Zorn der Taliban zugezogen. Daher floh die Familie aus Afghanistan.

Foto: Schütz

Hückeswagen Es sind Geschichten wie die von Milad Mohamadi, seiner Frau Maroofeh Sarvari und ihren sechs Kindern, die einen manchmal regelrecht an der Welt verzweifeln lassen. Die Familie stammt ursprünglich aus der Provinz Kapisa, zwei Stunden nördlich der afghanischen Hauptstadt Kabul. Seit Ende November 2015 lebt sie in der Schloss-Stadt, etwa 7000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Immerhin sind sie zusammen, wurden nicht getrennt.

Die Familie ist geflohen, vor konkreter Gefahr um Leib und Leben - vor den Taliban. Der 13-jährige Ferdos kann nach einem Jahr in der neuen Heimat schon sehr gut Deutsch, ist ein aufgeweckter Junge, der gerne Fußball spielt. Er erzählt und übersetzt, seine älteren Geschwister - der 16-jährige Farid, die 15-jährige Shagha-yegh und der 17-jährige Mohammed - ergänzen immer wieder. Auch sie wirken aufgeweckt, äußerlich unversehrt.

Dennoch ist zu spüren, dass sie Dinge erlebt haben müssen, die man niemandem wünscht. Nur der jüngste Sohn, der neunjährige Amir Hussein, will bald auf Mamas Schoß. Er weint kurz, sie tröstet ihn, dann geht er aus dem Zimmer. "Mein Vater hat für die Russen als Fahrer gearbeitet. Dann hat er Ärger mit den Taliban bekommen", erzählt Ferdos. Das klingt so nüchtern. So, als hätte der 40-jährige Milad einen Strafzettel in Aussicht gestellt bekommen.

"Sie haben gesagt: ,Wenn wir dich noch einmal mit den Ausländern sehen, dann töten wir dich.' Wir haben uns an die Regierung gewendet, dort hat man uns aber nicht geholfen. Dann sind wir geflohen", sagt der 13-Jährige. Auch hier ist kaum eine Gemütsregung zu erkennen. Dabei ging es damals sprichwörtlich um Leben und Tod. Die Geschichte der Flucht klingt wie ein Bericht in den Tagesthemen: Die Kinder flohen mit der Mutter von Afghanistan in den Iran und dann in die Türkei - "15 Stunden zu Fuß, die Polizei hat geschossen", erzählt Ferdos.

Dann eine gefährliche Bootsfahrt mit 40 Menschen in einem Schlauchboot nach Griechenland. "Wir hatten Angst, haben uns aneinander festgehalten", sagt der 13-Jährige. Dann wurde es einfacher. "Wir waren zuerst in Düsseldorf, da sind wir schon einen Monat lang unterwegs gewesen", schließt der Junge seine Erzählung. Von der Landeshauptstadt ging es nach Hückeswagen, zuerst in die Gastunterkunft der Stadt an der Bever-Talsperre, Anfang des Jahres in eine Wohnung in Wiehagen.

Dreieinhalb Wochen nach der Ankunft der Mutter mit den Kindern kam der Vater nach. Die Familie war wieder vereint. Heute gibt es wieder ein bisschen Alltag im Leben der Familie: Athena und Amir sind auf der Löwen-Grundschule, Ferdos, Farid, Shaghayegh auf der Montanusschule, der älteste Sohn Mohammed besucht das Berufskolleg in Wermelskirchen. Vater Milad indes darf noch nicht arbeiten. Zwar ist die Familie registriert, dennoch hängt sie immer noch in der Luft: "Das ist das Quälende, hier zu sein, nichts tun zu können", übersetzt Ferdos die Gefühle seines Vaters.

Den Jugendlichen indes gefällt es in Hückeswagen. "Hier gibt es so viele nette Menschen, man ist viel sicherer als in Afghanistan", sagt etwa Farid. In Anja und Martin Kurtz hat die Familie Sarvari-Mohamadi Paten gefunden, die im Alltag, etwa bei Behördengängen oder der Orientierung in der Stadt, helfen konnte. Und die sich mit den Neuankömmlingen aus Afghanistan gleich angefreundet hat: "Die beiden sind wie Brüder", sagt Ferdos und deutet auf seinen Vater und Martin Kurtz, dann auf seine Mutter und Anja Kurtz: "Und die wie Schwestern.

" Die Interessen der Jugendlichen seien wohl weltweit die gleichen, sagt Martin Kurtz schmunzelnd: "Sicher, erst wollen sie Deutsch lernen. Aber dann kommen Smartphones, Fußball und Musik." Ferdos übersetzt noch einmal für seinen Vater: "Ich werde bis an mein Lebensende nicht vergessen, wie die beiden uns geholfen haben."

(wow)
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