Serie Erster Weltkrieg In Etaples (1) Die Partnerstadt ist strategisch wichtig

Hückeswagen · Hinter einem Wall von Dünen versteckt, bot sich Hückeswagens Partnerstart Etapler-sur-Mer im Ersten Weltkrieg als idealer Ort für die Alliierten an. In einer siebenteiligen Serie berichtet die BM, wie der "Große Krieg" Einfluss auf die Menschen dort nahm.

 Heute erinnert in Etaples wenig an die Bedeutung der Stadt im Ersten Weltkrieg. Die Partnerstadt liegt rund 530 Kilometer von Hückeswagen entfernt.

Heute erinnert in Etaples wenig an die Bedeutung der Stadt im Ersten Weltkrieg. Die Partnerstadt liegt rund 530 Kilometer von Hückeswagen entfernt.

Foto: Bornkessel

Seit mehr als 40 Jahren besteht die Partnerschaft mit Etaples-sur-Mer. In dieser Zeit sind viele Besucher aus Hückeswagen an den Ärmelkanal gereist und haben die französische Gemeinde und ihre Bewohner kennengelernt. Der Fischerort an der Canche bietet für seine Gäste eine Menge Attraktionen: die Seeluft, die Dünen, die weiten Strände des benachbarten Seebades Le Touquet, aber auch die Ausflüge in das Hügelland des Artois. Von dort sieht man bei guter Sicht im fernen Dunst England mit den Klippen von Dover leuchten. Wer die nähere Umgebung nördlich von Etaples erkundet, wird abseits der D 940, die nach Boulogne führt, eine große Gräberstätte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges finden. Mehr als zehntausend Militärangehörige aus vielen Ländern des ehemaligen britischen Empire haben dort, inmitten eines Kiefernwalds, ihre letzte Ruhe gefunden. Ein hohes "Cross of Sacrifice" (Opferkreuz), das einem in die Erde gesenkten Schwert ähnelt, markiert weithin sichtbar die Stätte.

Gewöhnlich am 11. November eines jeden Jahres finden hier Gedenkfeiern statt. Es ist der Tag des Waffenstillstands von 1918. In der Abgeschiedenheit der imposanten Anlage bei Etaples offenbart sich dem Betrachter, worin der tiefere Sinn deutsch-französischer Städtepartnerschaft liegt: die Erinnerung an die jahrhundertelange leidvolle Geschichte zwischen zwei Nachbarn. Der Erste Weltkrieg, der vor 100 Jahren begann, ist eines ihrer dunkelsten Kapitel. La Grande Guerre, der Große Krieg, wie die Franzosen ihn nennen, hat die über Generationen alte Feindschaft mit den Nachbarn östlich des Rheins neu belebt. Ein neuer Weltkrieg kam 21 Jahre später über beide Völker und vermehrte ihr Unglück. Doch nicht nur Franzosen und Deutsche litten, auch Menschen aus vielen Teilen der Welt wurden zwischen 1914 und 1918 in den Krieg hineingezogen und bezahlten dies mit Leben und Gesundheit. Es ist hierzulande kaum bekannt, welche bedeutende Rolle der kleine Fischerort im Großen Krieg vor 100 Jahren gespielt hat. Ein wesentlicher Grund dafür ist seine besondere geografische Lage, die die Geschichte der Stadt geprägt hat. Etaples liegt am schmalen Fluss Canche, jedoch nicht an dessen Mündung, sondern einige Kilometer weiter im Hinterland. Ein Wall von hohen Dünen entlang der Küste bot Schutz gegen Überfälle von See her.

Schon die römischen Besatzer nutzten im antiken Stapula, wie Etaples damals hieß, die örtlichen Gegebenheiten. Das lateinische stabulum bedeutet so viel wie "Standort, Lager". Für die Militärstrategen war damals auch das Hinterland von Wert, wenn sie sich von hier aus zu Angriffsfahrten über den Ärmelkanal in sicheren Lagern sammelten: Unerreichbar von feindlichem Beschuss, ließen sich in den Gewässern der Canche, die sich durch sumpfige Marschwiesen windet, Schiffe ausrüsten. Mit Einsetzen der Flut konnten die Römer aufs Meer segeln, Englands Küste erreichen und das Land erobern. In neuerer Zeit bereitete Napoleon eine Invasion Englands vor. 1803 ließ er im Raum von Etaples gewaltige Land- und Seestreitkräfte zusammenziehen - es entstand das Lager von Boulogne. Die Grande Armee sollte von der Canche aus zur Invasion nach England geschafft werden. Im August 1805 änderte der Feldherr jedoch seine Pläne: Russische Truppen waren nach Westen vorgerückt und bedrohten das Kaiserreich. Frankreichs 6. Armee setzte sich Richtung Osten in Marsch. Napoleon wollte seine Gegner im Südosten Deutschlands zur Schlacht zwingen - mit Erfolg: Bei Austerlitz triumphierte er über Russen und Österreicher. Eine Säule auf einem Hügel unweit von Boulogne mit dem kaiserlichen Feldherrn auf der Spitze erinnert heute an diese Episode - ein Ausflugsziel bei einem Besuch in der Partnerstadt.

(RP)
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