Geschichte in Hückeswagen Deutlicher Widerspruch gegen die AfD

Hückeswagen · Historikerin Iris Kausemann reagiert erneut auf die jüngsten Aussagen der Hückeswagener AfD-Fraktion zur Berichterstattung über Hans Bêché und wirft den Rechtspopulisten Verbreitung von Hass und Verleumdung vor.

 Hat gerade wenig zu lachen, wenn sie an die Aussagen der AfD denkt: Die Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins und der Bergischen Zeitgeschichte, Iris Kausemann.

Hat gerade wenig zu lachen, wenn sie an die Aussagen der AfD denkt: Die Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins und der Bergischen Zeitgeschichte, Iris Kausemann.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Es ist eine ungewohnte Rolle für Iris Kausemann. „Als Diplom-Archivarin, Historikerin, Archivleiterin und Vorsitzende zweier Geschichtsvereine halte ich mich normalerweise aus der Kommunalpolitik heraus“, sagt sie. Dennoch könne sie in der aktuellen Diskussion um einen – mittlerweile zurückgezogenen – Antrag der FDP-Fraktion zur Umbenennung der Henry-Ford-Straße in Hans-Bêché-Straße nicht schweigen.

Die Rechtspopulisten der AfD hatten dem Hückeswagener Ingenieur und Unternehmer vorgeworfen, während des Zweiten Weltkriegs nicht nur Zwangsarbeiter in seinem Unternehmen beschäftigt, sondern auch ein Kriegsgefangenenlager betrieben zu haben. Als Quelle dafür hatte der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Lietza einen Brief der Firma Bêché & Grohs an das Ordnungsamt Hückeswagen angegeben. Diese Quelle habe sich leicht im Internet finden lassen, sagt Iris Kausemann. „Und diese Quelle stützt genau das, was Zeitzeuge Rudolf Brunsbach im BM-Bericht vom 3. Mai gesagt hat: Zum Ende des Krieges wurden Fremdarbeiter beschäftigt, das ist richtig. Und nach dem Ende des Krieges – also bereits unter der alliierten Besatzung –, wurde auf dem Firmengelände von Bêché & Grohs für neun Monate ein Kriegsgefangenenlager errichtet. Die Interpretation dieser Quelle durch die AfD ist also völlig falsch und zeugt von der Verbreitung von Hass und Verleumdung“, sagt die Historikerin unserer Redaktion.

In der Tat hat Lietza auf dem Facebook-Account der Hückeswagener AfD geschrieben: „Für ein Kriegsgefangenenlager mussten Firmen mit dem Nazi-Regime in Verbindung stehen und Arbeitskräfte anmelden, dies müsste auch Frau Iris Kausemann bekannt sein.“ Die erwähnte Quelle, ein Schreiben an das Ordnungsamt Hückeswagen, datiert allerdings – auf den 20. Juni 1949. Und darin steht eindeutig geschrieben: „Wie Ihnen bekannt ist, war unser Werk nach dem Zusammenbruch neun Monate lang als Polen-Lager eingerichtet.“ Man müsse Quellen, wenn sie denn wissenschaftlicher Überprüfung standhalten sollten, immer genau prüfen – nur so könnten sie richtig nachvollziehbar sein und in den wichtigen, zeitgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet werden, sagt die Historikerin.

Iris Kausemann fragt sich: „Woher kommt das, was die AfD da macht? Und wie kann man dieser Verbreitung von falschen Aussagen begegnen? Früher dachte ich immer durch Bildung – heute stehe ich dem ratlos gegenüber.“ Wann, warum und wer nun genau dieses Kriegsgefangenenlager eingerichtet habe, und in welchen historischen Kontext es eingeordnet werden müsse, dazu fehlten letztlich, zumindest im Moment, weitere Quellen. Richtig ärgerlich hat die Historikerin indes ein weiterer Kommentar der Hückeswagener AfD auf deren Facebook-Seite gemacht. Dort steht: „Die Person Hans Bêché hat die damaligen Kriegsgefangenen noch als Täter dargestellt und wäre das (…) Dokument verschwunden, hätte man nie davon erfahren.“ Damit bezieht man sich offensichtlich auf den Satz: „Die Polen haben bei uns alle Unterlagen restlos vernichtet, so dass wir irgendwelche Auskünfte nicht mehr geben können.“ Auch dies steht im erwähnten Schreiben von 1949 ans Ordnungsamt. „Das geht einfach zu weit! Das ist Verleumdung ohne jegliche Grundlage – mir fehlen die Worte“, sagt Iris Kausemann hierzu.

Gleiches gelte für die Erwähnung der BZG-Broschüre zum Lager Haus Hammerstein – „Wasser können sie trinken…, morgen sind sie tot!“ – im Zusammenhang mit der Person Hans Bêchés. „Ich verwahre mich, dass hier Zusammenhänge konstruiert werden, die so schlicht nicht gegeben sind“, sagt Iris Kausemann.

Ihre eigenen Recherchen über Hans Bêché hätten 2004 begonnen, als sie das Stadtarchiv in Hückeswagen aufgebaut habe. „Damals habe ich Akten gefunden, die ihn als wundervollen Chef zeigten. Ich erinnere mich da an einen Vorfall, als ein Junge für die Zerstörung der Brunnenfigur auf unserem Wilhelmsplatz verantwortlich gemacht wurde“, sagt sie. Hans Bêché habe die Rechnung für den Sohn des Arbeiters übernommen. Sie sei in der Folge auf weitere Hinweise dieser Art gestoßen und habe daraufhin ehemalige Mitarbeiter und seine Tochter interviewt. Für Iris Kausemann ist klar: „Hans Bêché war ein genialer Chef und Unternehmer, wie ich ihn mir heute wünschen würde.“

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