Serie Erster Weltkrieg in Etaples Das große Risiko des Schlieffen-Plans

Hückeswagen · "Macht mir den rechten Flügel stark!", forderte Generalstabschef Graf Alfred von Schlieffen. Seine Strategie, Frankreich von Norden anzugreifen, sorgte dafür, dass Hückeswagens spätere Partnerstadt Etaples in den Krieg mit hineingezogen wurde.

 Vorgesehen war, den damals verhassten Nachbarn von Norden anzugreifen. Dafür mussten die Truppen, wie es der Plan des Generalstabschefs Graf Alfred von Schlieffen vorsah, zunächst durch das neutrale Belgien vorrücken.

Vorgesehen war, den damals verhassten Nachbarn von Norden anzugreifen. Dafür mussten die Truppen, wie es der Plan des Generalstabschefs Graf Alfred von Schlieffen vorsah, zunächst durch das neutrale Belgien vorrücken.

Foto: dpa-infografik

Etaples-sur-Mer und seine günstige strategische Lage gewann zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Bedeutung, Dies hing mit den Planungen des kaiserlich deutschen Generalstabs zusammen, sollte es nach dem siegreichen Feldzug in Frankreich von 1870/71 zu einem neuen Waffengang gegen den Nachbarn kommen. Generalstabschef Graf Alfred von Schlieffen hatte dafür in seiner Denkschrift des Jahres 1905 einen Angriffsplan ausgearbeitet.

Er setzte auf die seinerzeit neueste Technik: Auf schnelle Kommunikation mit Hilfe des jüngst entwickelten Telefons sowie auf eine relativ kleine Truppenmacht, die bei einem raschen Vormarsch leicht zu dirigieren und zu versorgen war. Der Angriffsplan, der so genannte Schlieffen-Plan, sollte die Zeit zwischen Mobilmachung und Sieg auf wenige Tage reduzieren; nur 42 hatte Schlieffen dafür vorgesehen. Dieses schmale Zeitfenster war entscheidend, denn die Deutschen rechneten mit einem zweiten Gegner im Osten.

Das russische Zarenreich war seit langem mit Frankreich verbündet und musste im Falle eines deutschen Angriffs auch zu den Waffen greifen. Wegen der Weite ihres Landes konnten die Russen jedoch erst nach sechs, sieben Wochen ihre Truppen vollständig zusammenziehen, um das Kaiserreich an der Grenze in Ostpreußen anzugreifen. Deutschland musste also innerhalb dieser Zeitspanne Frankreich besiegen, um seine Truppen gegen Russland umzudirigieren.

Laut Schlieffen-Plan sollte der Sieg über einen Umweg erkämpft werden: Der deutsche Angriff begann nicht an der Grenze im Westen des Elsass gegen die stark mit Festungen gesicherte französische Ostgrenze. Die Militärs sahen vielmehr einen Überraschungsangriff im Norden vor: Drei Armeen würden in einem weiten, nach rechts schwingenden Bogen nördlich von Brüssel durch das neutrale Belgien hindurchgeführt und sollten dann, Richtung Südwesten, direkt auf Paris zustoßen.

Danach, im Süden die Hauptstadt umkreisend, wollten die Deutschen das an der süddeutschen Grenze zur Verteidigung aufmarschierte französische Ostheer schlagen. Schlieffens Plan trug ein erhebliches politisches Risiko in sich: Das Kaiserreich nahm mit dem Angriff über die nordwestliche Flanke eine Verletzung der Neutralität Belgiens in Kauf, womit es den Kriegseintritt Englands provozierte: Weil das Inselreich jenseits des Kanals die flandrische Küste als Sicherheitszone vor der eigenen Haustür ansah, bestand seit 1839 ein Beistandspakt mit dem belgischen Königreich.

Überdies waren die Engländer seit 1904 mit den Franzosen verbündet. Die Deutschen wollten diese Risiken eingehen. Ihnen kam es darauf an, dass ihre Truppen in einem schnellen Vordringen durch Frankreich den Feind an der Marne schlugen. Durch diese deutsche Militärstrategie gewann die geografische Lage von Etaples eine neue Bedeutung. Denn der rechte äußere Flügel im Schlieffen-Angriff reichte im Marsch auf Paris nicht bis an die Kanalküste und ließ Städte wie Boulogne oder Etaples außen vor.

Für die Verteidiger bot sich hier bei Kriegsbeginn ein Reserveraum, der von England über den Kanal her schnell und sicher zu erreichen war.

(RP)
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