Hückeswagen Als Schüler in den Westen

Hückeswagen · Die Gründung der Bundesrepublik ist für Günter Hartmann ein Ereignis, das in seinen persönlichen Erinnerungen irgendwo zwischen der Währungsreform und den Bundesjugendspielen Anfang der 50er Jahre einsortiert ist – als ein "Verwaltungsakt" mit Folgen.

Frage: Welchen deutschen Politiker verbinden Sie mit der Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949? Antwort: Konrad Adenauer. In den meisten Fällen wird das die spontane Erwiderung des Befragten sein. Günter Hartmann jedoch greift zu einer Dokumentenmappe, zieht eine alte Urkunde von den Bundesjugendspielen hervor und zeigt auf die Unterschrift. "Das ist die Schrift von ,Papa Heuss'. Er hatte so eine urgemütliche und tiefe Stimme", erinnert sich der 1936 geborene Hückeswagener.

Aus Sachsen nach Hückeswagen

1946 war Hartmann aus Sachsen in die Schloss-Stadt gekommen. "Ich ging dann hier direkt in die fünfte Klasse der Mittelschule", erzählt er. Damals befand sich die Schule noch an der unteren Kölner Straße. 1950 wurde sie in "Realschule" umbenannt, 1954 zog sie an den heutigen Standort weiter oberhalb an der Kölner Straße.

Bis 1953 besuchte der Sachse, der noch vor der Gründung der DDR in das Bergische Land gekommen war, die Schule. In diese Zeit fiel die Gründung der Bundesrepublik. Doch das erste große politische Ereignis, an das sich Hartmann heute noch erinnert und mit dem er die Republik im Westen in Verbindung bringt, ist die Währungsreform knapp ein Jahr vor der Staatengründung: "Ich hatte damals ein Sparbuch mit 1000 Reichsmark. Das reichte aber nicht, um im Gegenzug die 40 Mark Kopfgeld zu bekommen."

Groß gefeiert wurde nicht

An die eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik kann er sich nur indirekt erinnern. "Ich weiß, dass es im Unterricht einmal Thema war", sagt Hartmann. An einen Festakt oder etwas Ähnliches kann er sich jedoch nicht entsinnen. Ganz konkret werden die Erinnerungen erst wieder an die 50er Jahre und angesichts der Urkunde von den Bundesjugendspielen 1952. Sie weist den sportlich ambitionierten Günter Hartmann als Sieger im Dreikampf aus.

Die Gründung der Bundesrepublik hatte letztlich gleichwohl Auswirkungen auf seine Familie. Nach der strikten Westbindungspolitik von Adenauer und der Gründung der DDR verfestigte sich die deutsche Teilung, die mit dem Bau der Mauer ihren ersten "Höhepunkt" erreichte. Günter Hartmanns Bruder kehrte im Gefolge seiner Mutter noch vor der Gründung der beiden deutschen Staaten nach Sachsen zurück, während Günter blieb. Hückeswagen wurde zu seiner Heimatstadt.

So wie Günter Hartmann haben viele seiner Altersgenossen die Gründung der Bundesrepublik erlebt. "Vor 1949 war es eine Art Schwebezustand, der nach der Gründung beendet war", versucht Hartmann das Lebensgefühl damals zu beschreiben. Gleichzeitig gab es in seiner Generation so etwas wie eine Aufbruchstimmung. "Uns standen eigentlich alle Möglichkeiten offen, nur ein Studium war nicht so einfach", sagt Hartmann.

Gefeiert hat Günter Hartmann den 23. Mai nicht. "60 Jahre Bundesrepublik – das ist so wie mit den 150 Jahren Stadtrechte für Hückeswagen: Die Republik-Gründung war zuerst einmal ein Verwaltungsakt." (wird fortgesetzt)

(RP)
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