Hückelhovens Zechengeschichte Wie der 11.11.1991 die Stadt verändert hat

Hückelhoven · Vor 30 Jahren hatten die Kumpel Gewissheit: Die Ära der Steinkohle in Hückelhoven wird enden. Ohne den Bergbau wäre die Stadt nicht die, die sie ist.

 Ein schicksalhafter Tag: Rund 100 Kumpel von Sophia-Jacoba übernachteten vom 10. zum 11. November im Aachener Dom. In der benachbarten Michaelskirche erfuhren Sie von der Stilllegung der Hückelhovener Zeche.

Ein schicksalhafter Tag: Rund 100 Kumpel von Sophia-Jacoba übernachteten vom 10. zum 11. November im Aachener Dom. In der benachbarten Michaelskirche erfuhren Sie von der Stilllegung der Hückelhovener Zeche.

Foto: Archiv Spichartz

Der Elfte im Elften, für viele Jecken und Freunde der fünften Jahreszeit ist dieses Datum ein ganz Besonderes. Es ist der Auftakt in die Karnevals-Session, was einen Großteil der Menschen auch im Erkelenzer Land in Freude versetzt. Im November 1991 aber war es anders. Damals, vor 30 Jahren, war den Bergleuten in Hückelhoven nicht zum Feiern zumute. Statt Auftakt in die jecke Zeit bedeutete der 11. November 1991 das Ende der Ära der Steinkohle – und einen Wandel für die Stadt Hückelhoven.

Es war 16.22 Uhr, als Franz-Josef Sonnen, der damalige Betriebsratsvorsitzende der Zeche Sophia-Jacoba einen Anruf aus Bonn erhielt. Die Botschaft: 1997 ist Schluss. Für die Bergleute bedeutete dies das Ende eines langen Kampfes. In der Aachener Michaelskirche musste Sonnen seinen Kollegen nun die schlechte Nachricht verkünden. Er war nur der Überbringer, die Entscheider saßen in Bonn in der so genannten Kohlerunde. Es war ein vier Jahre andauernder Kampf, ein Kampf, der von vornherein verloren schien.

Denn die seit 1982 regierende CDU/FDP-Koalition hatte klar das Ziel kommuniziert, die Steinkohleförderung und deren Subventionierung herunterfahren zu wollen. So wuchs die Sorge um die Zukunft der Zeche mehr und mehr, ab 1987 gipfelte die Sorge dann in eben jenem Kampf um den eigenen Arbeitsplatz – 5000 davon standen direkt auf dem Spiel, weitere 5000 indirekt. Großkundgebungen vor mehreren tausend Menschen, zahlreiche Gespräche auf allen politischen Ebenen, Bildung eines Bürgerkomitees – viele Menschen aus Hückelhoven und Umgebung standen hinter dem Unternehmen und unterstützten die Kumpel bei ihrem Kampf.

Am 17. Oktober 1991 wurde bei Sophia Jacoba schließlich gestreikt. Während sonst Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlassen, war es in der Zeche genau anders herum. Bis zu 1000 Kumpel blieben unter Tage und harrten dort mehrere Tage aus, bekamen Besuch von NRW-Ministerpräsident Johannes Rau. Die Nacht vom 10. auf den 11. November verbrachten 100 Bergleute im Aachener Dom, nebenan, in der Michaelskirche, wurde am 11. ein Gottesdienst abgehalten. Im Anschluss erhielt Franz-Josef Sonnen den bedeutsamen Anruf.

Bis 1997 war die Zeche Sophia-Jacoba noch in Betrieb, dann absolvierten die Kumpel ihre letzte Schicht. Die Schließung der Zeche und somit das endgültige Ende des Bergbaus in Hückelhoven jährt sich im kommenden Jahr zum 25. Mal.

Das Ende des Bergbaus bedeutete gleichzeitig auch, dass sich die Stadt Hückelhoven neu erfinden musste. Es war nicht einfach, die alten Strukturen aufzubrechen und durch Ansiedlung von Industrie neue Wirtschaftszweige und Arbeitsplätze zu generieren. Zu einem der größten Arbeitgeber wurde so der Teleshopping-Sender QVC, der in Baal sein Distributionszentrum führt und mehr als 1000 Menschen beschäftigt. Zudem siedelten sich einige kleine und mittelständische Unternehmen an. Inzwischen leben mehr als 40.000 Menschen in Hückelhoven. „Heute ist Hückelhoven das Handelszentrum zwischen Aachen und Mönchengladbach, dem der Strukturwandel eindrucksvoll gelungen ist. Viele Menschen aus der Region kommen zum Einkaufen“, sagt Bürgermeister Bernd Jansen, und ergänzt: „Der Strukturwandel Hückelhovens ist geprägt durch drei Säulen, nämlich die Bildung, die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und das Einkaufen. Beeindruckend sind die 4000 Neubürger seit der Zechenschließung. Diesen Weg wollen wir weitergehen.“

Der Bergbau hat seine Spuren hinterlassen. Die Vergangenheit hat das heutige Erscheinungsbild der Stadt geprägt. Optisch und kulturell. Mit Sophia-Jacoba als größtem Arbeitgeber der Stadt wuchs die Einwohnerzahl stetig. Der Förderturm an Schacht 3 ist noch immer eines der Wahrzeichen der Stadt, macht bei entsprechender Beleuchtung bei Dunkelheit einiges her. Die ehemaligen Bergleute sind bemüht, die Geschichte des Bergbaus aufrecht zu erhalten, für Interessierte aufzubereiten und den jüngeren Generationen ihr Wissen weiterzugeben. Die Fläche am Förderturm wird inzwischen regelmäßig für Veranstaltungen wie Konzerte genutzt.

Dass die ehemalige Zechenstadt ohne diese Vergangenheit heute so aussehen würde, wie sie es tut, ist mehr als fraglich. Und dass Hückelhoven heute so international aufgestellt ist, für Menschen aus mehr als 100 Nationen zur Heimat geworden ist, hat ebenfalls seinen Ursprung im Bergbau. Menschen kamen als Gastarbeiter – und blieben als Hückelhovener.

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