Hückelhoven Vom Rittergut ins "Land der Wilden"

Hückelhoven · Sie waren keine Armutsflüchtlinge Mitte des 19. Jahrhunderts. Sophia Auguste Huppertz vom Gut Grittern bei Doveren wanderte mit ihrem Ehemann Gottfried Lieck und neun Kindern nach Texas aus. Das Motiv könnte in der Politik liegen.

Stadtansichten aus Hückelhoven
19 Bilder

Stadtansichten aus Hückelhoven

19 Bilder
Foto: Stadt Hückelhoven

"Goodbye Deutschland!" Das sagen über den Fernsehsender "Vox" seit 2007 einige Deutsche, um sich in einem Englisch oder Spanisch sprechendes Land dauerhaft niederzulassen. Auf SAT.1 fanden sich kürzlich Armutsauswanderer aus Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts "In einem wilden Land", so der Filmtitel, wieder. Texas war das Land der Wilden. Dorthin wanderte 1854 mit ihrer Familie auch Sophia Auguste Huppertz vom Gut Grittern bei Doveren aus, mit ihrem Ehemann Gottfried Lieck und neun Kindern.

Nachgezeichnet hat die exemplarische Auswanderung der Linderner Geschichts- und Familienforscher Heiner Coenen auch als Verwandter der Familie Lieck (Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1994 und 1995). Die Geschichte der Familie Huppertz beschrieb der Hückelhovener Forscher Johannes Heinrich Terboven im Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1969.

San Antonio in Texas war 1854 das Ziel der Familie Lieck aus Kirchhoven, von der zwei Söhne bereits vorher in die heutige Millionen-Metropole vorausgegangen waren und das Feld im Wortsinn beackert hatten. San Antonio speziell und Texas insgesamt waren im 19. Jahrhundert vor allem Ziele deutscher Auswanderer. Wie im Sat1-Film die schlesischen Weber waren es zumeist Armutsflüchtlinge aus dem heutigen Kreisgebiet Heinsberg, die in Texas' Weiten Äcker und Wiesen für die Landwirtschaft fanden. Grund für die Auswanderung waren steigende Bevölkerungszahlen und durch Erbteilung immer kleinere landwirtschaftliche Betriebe — vor allem aus dem Selfkant wichen zahlreiche Bauernsöhne in die Neue Welt aus.

Das Rittergut Grittern ging durch Heirat/Erbfall im 16. Jahrhundert von der gleichnamigen Familie an die Sippe derer von Lieck über, ebenfalls durch Heirat dann an die Familie von Hompesch. Im 18. Jahrhundert pachtete Sophia Huppertz' Großvater Martin Gut Grittern als "Halfe" oder "Halbwinner", das heißt, die Pacht bestand aus der Hälfte des agrarischen Gewinns. Sophias Vater Johann Anton Huppertz war der unter der französischen Herrschaft eingesetzte Notar für den Kanton Heinsberg. Er und sein Vater starben innerhalb weniger Tage im Jahr 1814, so erbte Sophia den Forschelener Hof in Kirchhoven und brachte ihn in die Ehe mit Godfrid (alte Schreibweise) Lieck ein. Der wiederum war von 1844 an Bürgermeister von Kirchhoven bis zur Auswanderung 1854, die er als 50-jähriger, wohlhabender Mann antrat. Godfrid und Sophia Lieck waren also keine Armutsemigranten.

Sind auch keine Äußerungen über Gründe zum Auswandern überliefert, so nimmt der pensionierte Studiendirektor Heiner Coenen einen politischen Hintergrund an. Godfrid Lieck war ein umfassend gebildeter Mann, wie seine überlieferte Bibliothek zeigte, er stand der demokratischen Revolution von 1848 sehr nahe. Die fürstliche Verfolgung der Demokraten in Deutschland ließ viele von ihnen in die USA emigrieren. So brachte es einer der führenden Köpfe der Revolution, Carl Schurz aus Erftstadt-Liblar, gar zum Innenminister der USA.

(isp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort