Riesige Anteilnahme Hückelhovener bangen mit Erdbeben-Opfern

Hückelhoven · Ömer Karadöls Mutter und Bruder sind nach dem Erdbeben in der Türkei doch noch gerettet worden – um viele weitere Vermisste wird auch in Hückelhoven weiter gebangt. Beim Freitagsgebet war die Anteilnahme riesig.

Ismet Cavdar (l.) und Suayip Yildirim sammeln in der Hückelhovener Moschee beim Freitagsgebet in der Mittagszeit fast 1800 Euro ein.   rp-foto:    ruth klapproth

Ismet Cavdar (l.) und Suayip Yildirim sammeln in der Hückelhovener Moschee beim Freitagsgebet in der Mittagszeit fast 1800 Euro ein. rp-foto: ruth klapproth

Foto: Ruth Klapproth

Es waren vier Tage voller quälender Ungewissheit. Ömer Karadöl (42) aus Hückelhoven wusste nicht, ob seine 86-jährige Mutter Hacer und sein Bruder Mustafa (45) tot sind. Begraben unter dem grauen Schuttberg, der bis zu der verheerenden Erdbeben-Katastrophe am vergangenen Montag ihr schmuckes Eigenheim in der Provinzhauptstadt Antakya war. Hier wohnte die Mutter im Erdgeschoss, sein Bruder mit seiner Ehefrau im ersten Stock. Jetzt die erlösende Nachricht: Sie leben!

Suchtrupps fanden Mutter, Sohn und Schwiegertochter, die verschüttet waren und verzweifelt auf Rettung gewartet hatten. „Ich weiß noch nichts Genaues“, so der Familienvater aus Millich, der nur für einen kurzen Moment telefonischen Kontakt zu seinen Verwandten hatte. Dann riss die Verbindung wieder ab, das Handynetz ist zurzeit stark überlastet. „Auch nicht, ob sie eventuell verletzt sind.“

Was ihm berichtet wurde, stimmte den verzweifelten Mann endlich wieder fröhlich. Erleichtert erzählte Ömer Karadöl unserer Redaktion: „Ich habe sofort einen Flug in die Türkei gebucht.“ Am Freitag machte er sich auf den Weg. Er hat Urlaub genommen, sein Arbeitgeber stimmte sofort zu und freute sich für ihn. Endlich wieder Mutter Hacer und Bruder Mustafa in die Arme schließen.

Seit Montag hatte der kaufmännische Angestellte, der in einem Wassenberger Unternehmen beschäftigt ist, um seine Angehörigen gebangt, dabei mit dem Schlimmsten gerechnet – dass sie die Erdbeben-Katastrophe mit der Stärke 7,8 nicht überlebt haben. Jetzt das Wunder. Auch für seine Ehefrau Aysegül Karadöl gab es inzwischen gute Neuigkeiten: Ihre Eltern wurden ebenfalls lebend geborgen.

Wie es jetzt weitergeht, weiß Karadöl noch nicht genau. Er will sich vor Ort zunächst einen Überblick über die aktuelle Lage verschaffen. „Alles Materielle lässt sich ersetzen“, sagt er glücklich. Sein Freund Mehmet Yilmaz, der sich wie Karadöl in der Hückelhovener Moscheegemeinde des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) engagiert, hat ihm sofort angeboten, sein Haus im rund 850 Kilometer entfernten Ankara für die leidgeprüfte Familie zur Verfügung zu stellen, die einiges durchgemacht hat, seit in der Nacht die Erde bebte. Dass Ömer Karadöl auf dem Weg ist, wissen Mutter Hacer und Bruder Mustafa noch gar nicht. „Ich hatte keine Gelegenheit mehr, es ihnen zu sagen. Die Verbindung ist ganz schnell abgerissen“, sagt Ömer Karadöl.

 Bild aus Antakya, wo ein Großteil der Häuser in Trümmern liegt. Hier retten Helfer ein Kleinkind aus einem eingestürzten Haus.

Bild aus Antakya, wo ein Großteil der Häuser in Trümmern liegt. Hier retten Helfer ein Kleinkind aus einem eingestürzten Haus.

Foto: dpa/-

In der Moscheegemeinde des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) ist die Spendenbereitschaft zurzeit enorm. Die zahlreichen Besucher des traditionellen Freitagsgebets legen insgesamt knapp 1800 Euro ins Spendenkörbchen. Die meisten geben 50 Euro, einige sogar 100. Mit dem leitenden Vorbeter Bayram Cakir beten sie für die zahlreichen Opfer der schrecklichen Erdbeben-Katastrophe in der Türkei.

In der gut besuchten Gebetsstätte an der Ludovicistraße ist am Freitag vor allem Vorstandsmitglied Ömer Karadöl ein Gesprächsthema. Die Männer freuen sich über die guten Nachrichten aus dessen Heimatstadt Antakya. Auch die Frauen sammeln Spenden. Sie haben in der großen Gastronomie-Küche im Untergeschoss spontan 1000 türkische Lahmacun-Pizzen gebacken, die gegen eine Spende von 1,50 Euro pro Stück abgegeben werden. Zusätzlich wird beim Freitagsgebet auch in Schaufenberg Geld eingesammelt. Eventuell werde sogar in den nächsten Monaten weiterhin zu Spenden für die Türkei aufgerufen, so Vorstandsmitglied Mehmet Yilmaz.

Auch für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal habe man vor eineinhalb Jahren Geld gesammelt. „Wir bangen mit den Verschütteten“, bekräftigt Yilmaz. Der Verband der Islamischen Kulturzentren sei weiterhin tief erschüttert über die furchtbaren Auswirkungen des starken Erdbebens. Die Zahl der Todesopfer und der Verletzten steige schließlich von Stunde zur Stunde immer weiter. Yilmaz: „Der VIKZ wünscht allen Todesopfern Allahs Segen, den Hinterbliebenen sein tiefstes Mitgefühl und den Verletzten schnelle Genesung.“

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