Projekt beim DRK in Hückelhoven Migrantinnen lernen Fahrradfahren

Hückelhoven · Acht Frauen aus verschiedenen Ländern lernen in einem DRK-Projekt, wie sie sicher mit dem Rad im Verkehr unterwegs sind.

 Mit dem richtigen Schulterblick erkennt Massa die Zahl, die Jörg Zimmermann-Ramöller hinter ihr zeigt.

Mit dem richtigen Schulterblick erkennt Massa die Zahl, die Jörg Zimmermann-Ramöller hinter ihr zeigt.

Foto: Gabi Laue

Nawal aus Syrien hatte in ihrem Leben noch nie auf einem Fahrrad gesessen. Jetzt hat sie beim Roten Kreuz ein neues Fortbewegungsmittel entdeckt und freut sich darauf, Einkäufe und Ausflüge mit dem Rad machen zu können. Mit ihrer Tochter Massa (14) und fünf anderen Frauen nimmt Nawal an dem Projekt „Fahr-Rad“ für Migrantinnen teil. Das Projekt läuft derzeit beim Kristallisationspunkt (KAI) des Deutschen Roten Kreuzes in Hückelhoven. „Wir möchten den Teilnehmerinnen in angenehmer Atmosphäre die Möglichkeit geben, ihre Selbstständigkeit zu fördern und neue Menschen kennenzulernen“, erklärt Julie Ilner, die Leiterin des KAI.

Ein solches Projekt war eigener Wunsch der Frauen mit Migrationsgeschichte. Entwickelt haben es Rabia Sönmez und Ganga Vettivelu, Studentinnen der sozialen Arbeit an der Fachhochschule in Mönchengladbach. „Im Rahmen eines Praktikums im KAI haben wir gemeinsam mit Julie Ilner entschieden, das Fahrradprojekt durchzuführen, damit die Frauen sicher am Verkehr teilnehmen, Integration, Mobilität und Selbstbewusstsein stärken können“, berichtet Rabia Sönmez, während die eifrigen Radlerinnen unter den Augen der Polizei auf einer ruhigen Nebenstraße üben, „rechts vor links“ zu beachten und mit dem richtigen Schulterblick nach links abzubiegen.

 Linksabbiegen will geübt sein. Verkehrssicherheitsberater Jörg Zimmermann-Ramöller schaut, ob alle Frauen mit dem Rad sicher unterwegs sind.

Linksabbiegen will geübt sein. Verkehrssicherheitsberater Jörg Zimmermann-Ramöller schaut, ob alle Frauen mit dem Rad sicher unterwegs sind.

Foto: Gabi Laue

Die Frauen kommen aus Ägypten, Syrien und dem Irak. Seit Anfang Juni üben sie in Theorie und Praxis. Es gab eine Infoveranstaltung über die Verkehrsregeln, einen Flickworkshop und mehrere Fahrradtrainings auf dem Hof des DRK und dem Vorplatz der Feuerwache. Am Ende stehen ein Fahrradführerschein bei der Verkehrspolizei nach theoretischer und praktischer Prüfung und eine Fahrradtour mit Picknick. Die bietet gleichzeitig Gelegenheit, wichtige Begegnungsstätten wie Kindergärten, Schulen und Behörden einmal zu sehen.

 Julie Ilner (Mitte) hat mit Rabia Sönmez und Ganga Vettivelu das Fahr-Rad-Projekt für Frauen mit Migrationshintergrund ins Leben gerufen. Mit Verkehrssicherheitsberatern der Polizei wird trainiert.

Julie Ilner (Mitte) hat mit Rabia Sönmez und Ganga Vettivelu das Fahr-Rad-Projekt für Frauen mit Migrationshintergrund ins Leben gerufen. Mit Verkehrssicherheitsberatern der Polizei wird trainiert.

Foto: Gabi Laue

Auf der Dresdener Straße ist vormittags wieder Training angesagt. Die Verkehrssicherheitsberater der Polizei, Jörg Zimmermann-Ramöller und Uwe Castens, geben Aufgaben und Hinweise. Josef Neiß, Leiter der Führungsstelle Verkehr bei der Kreispolizeibehörde Heinsberg, schaut sich an, wie die Frauen üben. Und das sieht gar nicht mehr wacklig aus. „Ich gucke dem Autofahrer ins Gesicht, halte Blickkontakt: Hat der mich auch gesehen?“, erklärt Castens. „Ein Unfall passiert ja nicht, weil ich das will, sondern weil ich was übersehen habe“, sagt Zimmermann-Ramöller. Rechts vor links, Handzeichen geben beim Abbiegen, an stehenden Autos mit großem Abstand vorbeifahren, falls ein Fahrer mal die Tür aufreißt, und vor allem den gesetzlich vorgeschriebenen Schulterblick richtig einsetzen – all das hat er bei den radelnden Frauen im Blick. Fahrradfahren ist für Uwe Castens analog zum Autofahren. „Im Auto machen wir vieles automatisch, ohne nachzudenken. Wir wollen das Bewusstsein für Gefahren schärfen.“

Die besser Deutsch sprechenden Teilnehmerinnen übersetzen, was die Verkehrsberater sagen. Und die haben noch eine unschätzbare Hilfe im Umgang mit geflüchteten Menschen: die Smartphone-App „German Road Safety“, die Regeln in Grafiken oder Filmen und in 13 Sprachen erklärt. Die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration fördert das Hückelhovener Projekt. So konnten neben sieben gespendeten Fahrrädern drei Räder und die nötigen Helme gekauft werden. Eine kostenlose Haftpflichtversicherung steuerte die Westfälische Provinzial bei. „Bei regelmäßiger Teilnahme werden die Räder verschenkt“, nennt Julie Ilner einen Anreiz, dranzubleiben.

Nawal freut sich darüber, nicht mehr nur zu Fuß laufen zu müssen. Sie möchte mit dem Fahrrad zum Einkaufen, an den Fluss, nach Doveren und Baal fahren, kündigt sie mit strahlendem Gesicht an. Und noch eine Motivation gibt es für sie: „Wann möchte arbeiten, muss Fahrrad fahren!“

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