Hückelhoven Parade-Ensemble in Sonderschau

Hückelhoven · Mit einem Foto der Hückelhovener Aula, um 1974 entstanden, ist das Architektenpaar Brigitte und Christoph Parade im Frankfurter Architektur-Museum vertreten. Titel der Ausstellung: "SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster!".

 Das Hückelhovener Gymnasium mit Sternwarte, Aula und Mehrzweckhalle war Ende der 1960er Jahre ein völliges Novum.

Das Hückelhovener Gymnasium mit Sternwarte, Aula und Mehrzweckhalle war Ende der 1960er Jahre ein völliges Novum.

Foto: PARADE ARCHITEKTEN

Beton in Kombination mit Pflanzen, Sprachlabor, Aquarium, die Sternwarte mit Kuppel, versetzte Geschosse, eine Aula als Konzertsaal mit rund 740 Sitzplätzen: Seit das Hückelhovener Gymnasium 1968 fertiggestellt wurde, zieht das ungewöhnlich gestaltete Gebäude viele Blicke auf sich.

Eine große Sonderausstellung im renommierten Deutschen Architekturmuseum, kurz DAM, in Frankfurt am Main widmet sich noch bis zum 2. April 512 Projekten aus der ganzen Welt, darunter nur zehn aus Deutschland, mit Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren, für deren Erhalt plädiert wird. Das beziehungsreiche Motto lautet "SOS Brutalismus". Die ungewöhnlichen Bauwerke aus Sichtbeton haben eins gemeinsam: den roh und bewusst sichtbar belassenen Beton (beton brut) als wesentliches gestalterisches Element.

Im Auftrag der Hückelhovener Stadtverwaltung entschied sich das Düsseldorfer Architektenpaar Professor Christoph und Brigitte Parade für diesen aufsehenerregenden Architekturstil der Moderne. "Damals herrschte in der Stadt eine Aufbruchstimmung", erinnert sich Professor Parade heute. "Die Einwohner und auch die Stadtverwaltung wollten ein Gymnasium und warteten darauf."

Neben der prägnanten Bauweise wies die Schule viele einzigartige Komponenten auf. So gab es schon damals einen neuartigen städtebaulichen Ansatz mit dem Gymnasium als neuem Zentrum, das Rathaus, Aula sowie Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel eine Bibliothek beherbergen sollte.

Architekt Christoph Parade denkt gern an die Zusammenarbeit mit der Stadt Hückelhoven zurück. "Das Gymnasium habe ich bis heute nie vergessen", sagt er. Zur damaligen Zeit sei es "ein völliges Novum" gewesen, das Schulgebäude inmitten der gerade neu gegründeten Stadt nicht nur als reines Schulzentrum zu sehen. Auch für außerschulische Veranstaltungen sollte das Gymnasium, so das bahnbrechende Konzept, regelmäßig genutzt werden. "Ich bin froh, dass die Gemeinde damals dieser Idee zustimmte." Der Architekt aus Düsseldorf weiter: "So kam es, dass zum Beispiel die 1974 fertiggestellte Aula ausgelagert wurde, um eine bessere separate Nutzung zu ermöglichen." Mit dem Hückelhovener Gymnasium sei ein völlig neuer Schultyp geschaffen worden. Dem aktuellen Ganztagsbetrieb werde ebenfalls Rechnung getragen. "Inzwischen ist die Schule doch für die Schüler ein zweites Zuhause." Schon damals legte der "Vater des Gymnasiums" bei der Planung und Entstehung größten Wert darauf, dass sich die Mädchen und Jungen wohlfühlen. Neue Formen des Lehrens und Lernens sowie stetig steigende Ansprüche an die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen hätten zu immer größeren Investitionen geführt - Tonband- und Fernsehgeräte sowie das Sprachlabor hielten Einzug. Man habe Wert gelegt auf eine aufwendige Ausstattung: flexible, demontierbare Wände, verbesserte Akustik. Diesen erhöhten Kostenaufwand habe man mit einer erhöhten Nutzung des Gebäudes rechtfertigen wollen.

Seinerzeit sei klar geworden, dass sich die Schule mehr und mehr zum Bildungszentrum für die gesamte Bevölkerung entwickle, macht Parade deutlich. Das Gymnasium als alternativer Aufenthaltsort zum eigenen Zuhause: "Musizieren zum Beispiel sollte dort möglich sein, während es normalerweise im nachbarschaftlichen Gezänk endete." Spiel, Sport und Bildung habe man miteinander verbinden wollen. Die Schul-Aula mit ihren orangefarbenen Wänden und blauen Stühlen habe man als Festhalle der Stadt konzipiert.

Der Brunnen in der Halle und die damit verbundene Aufenthaltsqualität ist eine Abkehr von den unwirtlichen Eingangsbereichen fast aller Schulen - sie dient zusätzlich einem praktischen Zweck. Weil der Beton der Luft viel Feuchtigkeit entziehe, habe man so für mehr Luftfeuchtigkeit sorgen wollen, so der Architekt. Zudem sei der Brunnen kostengünstiger gewesen als eine technische Lösung. Dass im Juni ein Antrag auf Denkmalschutz für Gymnasium mit Turnhalle, Aula, Mehrzweckhalle und Außenbereiche am Hartlepooler Platz gestellt wurde, ist für Parade folgerichtige Bestätigung der Qualität des Ensembles.

(cb)
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