Hückelhoven Mehr Konsumenten illegaler Suchtmittel

Hückelhoven · Mit Alkoholproblemen kämpfen die meisten Klienten der Beratungsstelle für Suchtfragen. Deren Zahl geht aber seit 2013 zurück. Dagegen steigt in der Beratung die Zahl der Menschen, die illegale Drogen konsumieren, vor allem Cannabis.

 Im Vergleich zu 2016 war im Vorjahr die Zahl der Ratsuchenden, die wegen Cannabis vorsprechen, in der Suchtberatung nahezu gleich hoch. Zunehmend konsumieren Klienten auch Amphetamine.

Im Vergleich zu 2016 war im Vorjahr die Zahl der Ratsuchenden, die wegen Cannabis vorsprechen, in der Suchtberatung nahezu gleich hoch. Zunehmend konsumieren Klienten auch Amphetamine.

Foto: KAI NIETFELD (ARCHIV)

"Ich weiß nicht mehr weiter. Von Vielem und Vielen habe ich mich abgewendet und isoliert. All die Probleme fühle ich aufgetürmt vor mir", so beginnt der Erfahrungsbericht eines Klienten aus der Ambulanten Reha Sucht, den Marlies Trapp, Leiterin der Beratungsstelle Sucht, ihrem Jahresbericht für 2017 voranstellte. Ein Mensch Anfang 40, "völlig aus der Bahn, der alles verloren hat inklusive Arbeit und Führerschein, der sich aber gut berappelt hat". Die ARS sei eine gute Möglichkeit für alle, "die in ihrem häuslichen Umfeld bleiben und nicht erklären wollen, warum sie für ein paar Monate weg sind", so die Psychologin zu dem Angebot der Beratungsstelle im Haus der Caritas mittwochs von 18 bis 20 Uhr.

Von Ängsten über sein Leben, seine Zukunft berichtet der Klient weiter: Überblick und Kontrolle verloren, Orientierung und Halt. Nur ein Verbündeter, mit dem er allem entkommt. Benebelt, verschleiert. Aus irgendeinem Antrieb fand er den Weg in die Beratungsstelle, die Gruppe, konnte sich einlassen, sein Leben biografisch aufarbeiten, eigene Bedürfnisse formulieren, sich mit sich selbst auseinandersetzen. In Einzel- und Gruppengesprächen konnte er erfahren, "wie andere Menschen in ähnlichen Situationen und vergleichbaren Lebenslagen reagieren, mit der Sucht umgehen." Der Abhängige lernte, wo Gefahren lauern, rückfällig zu werden, wo sein persönliches Risikopotenzial liegt, entwickelte "eine Antenne für diese Dinge". Er bewertet die Zeit in Hückelhoven als Hilfe zur Selbsthilfe: "Du hast Orientierung gefunden, leben musst du selbst." Der ARS-Absolvent kann wieder lachen, beschreibt sich als selbstbewusst, lustig-ironisch, "der Mensch, der ich sein möchte". Auch künftig will er in der Beratungsstelle Hilfe suchen, wenn er sie braucht, und er ermuntert andere: "Sieh auch du sie als Chance, als Chance für dich."

Eine konstante Zahl betreuter Personen weist der Jahresbericht 2017 aus: 607 Menschen (2016: 611) nahmen Beratungsgespräche in Anspruch, davon 385 (390) mehrere Termine. 222 beließen es beim einmaligen Kontakt. Unverändert zu den Vorjahren entspricht die Geschlechterverteilung mit rund 64 Prozent Männern und 36 Prozent Frauen dem klassischen Verhältnis in der Suchtarbeit. In 468 Fällen (74,4 Prozent) kamen Klienten wegen eigener Suchtprobleme, 161 Ratsuchende (25,6 Prozent) waren Angehörige. Diese Gruppe hatte Marlies Trapp noch einmal aufgeschlüsselt: 53 kamen wegen eines Partners, 49 wegen des Kindes, neun waren Geschwister, 27 gaben Probleme bei den Eltern an, 23 waren etwa Freunde oder Kollegen.

Die Beratungsstelle ist ebenso für legale wie illegale Drogen zuständig und wird von beiden Personengruppen aus dem gesamten Kreis Heinsberg etwa gleich häufig aufgesucht. Hauptdiagnose bleibt Alkohol (157 Fälle), doch ist die Zahl seit 2013 rückläufig. Konstant ist die Fallzahl bei Cannabis (111, im Jahr davor 112). Alkohol sei in der Gesellschaft Suchtmittel Nummer 1, so Marlies Trapp. "Addiert man allerdings die Zahl der Konsumenten illegaler Drogen, ergibt sich mit 238 Klienten insgesamt ein höherer Anteil der Konsumenten illegaler als legaler Suchtmittel."

Zunehmend suchten Konsumenten der Amphetamine die Beratungsstelle auf. Für die Psychologin ein Spiegel der Gesellschaft: "Alles muss schneller gehen, man muss mehr schaffen - und diese Leute sind tüchtig im Beruf." Amphetamin pusht, erhöht die Effizienz, bringt aber den Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Takt. "Diese Leute leben in Superlativen, extrem eindimensional, haben erhöhtes Aggressionspotenzial, und irgendwann geht alles den Bach runter." Der Ausstieg brauche "Verständnis, Begleitung und Zeit". Da bedeutet die Beratung "eine Chance für sich".

(gala)
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