Jung-Nazis in Hückelhoven 1934 Heimatverein erläutert Fahnenklau

Hückelhoven · Walter Bienen beleuchtet in einem Vortrag die Straftat zweier Jung-Nazis in Hückelhoven aus dem Jahr 1934. Nachdem sie die Fahne entwendet hatten, zerschnitten und beschmutzten sie sie, bevor sie verbrannt wurde.

 Im Jahr 1934 stahlen zwei Jung-Nazis eine Christus-Fahne vom Jugendheim (l.) neben der Burg (Mitte) und der Lambertus-Kirche (r.).

Im Jahr 1934 stahlen zwei Jung-Nazis eine Christus-Fahne vom Jugendheim (l.) neben der Burg (Mitte) und der Lambertus-Kirche (r.).

Foto: Stadtarchiv Hückelhoven

Es geschah am helllichten Tag. Während sich die Hückelhovener Innenstadt-Katholiken auf dem großen Rundkurs der Fronleichnamsprozession von der Lambertuskirche im „Dorf“ über Doverack zur Barbarakirche in der Bergmannssiedlung auf dem Wadenberg befanden, holten zwei Wassenberger Jungnazis eine Christus-Fahne (mit dem Zeichen PX) vom Jugendheim neben Burg und Gotteshaus, brausten mit ihrem Motorrad los und verbrannten sie auf dem Wassenberger Sportplatz neben dem Waldfriedhof. Ein Bericht aus dem Jahr 1934, vom 31. Mai, an dem die Katholiken ihre traditionelle Fronleichnamsprozession durchführen, ihren Glauben öffentlich machen – zum Missvergügen Hitlers und seiner Vasallen.

Städteübergreifend war dieses Vorkommnis das Hauptthema beim Arbeitskreis Hückelhoven im Heimatverein der Erkelenzer Lande und dem Heimatverein Wassenberg mit rund 20 Besuchern. Die wurden von Walter Bienen lebendig über die Nazi-Zeit und ihr Klima vor allem in Wassenberg informiert. Als Vorsitzender des Heimatvereins Wassenberg konnte Bienen das Schicksal der Christus-Fahne anhand von Original-Unterlagen von Pfarren und Polizei aufzeigen, Zeugenaussagen zitieren, ergänzt mit Informationen aus der Pfarr-Chronik von St. Lambertus. Der Motorradfahrer, ein Bannführer der Hitler-Jugend (HJ), hatte für Wassenberg ein Funktionärstreffen für den 31. Mai angesetzt, dessen Teilnehmer laut Zeugenaussagen die Christus-Fahne über die Straße zur Oberstadt zum Fußballplatz schleiften, dort nach einer Ansprache auf einem Holz-Scheiterhaufen verbrannten. Vorher soll sie noch mit Messern zerschnitten und durch Kot gezogen worden sein. Der Hückelhovener Pfarrer Gerhard Frenken stellte am nächsten Tag Strafantrag, dem die Staatsanwaltschaft folgte: Die HJ sollte die Fahne bezahlen; darauf verzichtete die Pfarre, veranstaltete eine Sammlung, bei der Geld für zwei Fahnen zusammenkam.

Den Wassenberger Nazi-Größen war die Sache etwas peinlich, HJ-Funktionär (und Lehrer) Karl Paulussen versuchte sich an Ausreden, unter anderem, dass die Fahne kein Christus- oder Kirchenbanner, sondern das einer verbotenen konfessionellen Sportgemeinschaft gewesen sei. Die Geheime Staatspolizei habe ermittelt, dass die Fahne nicht mit Kot beschmutzt gewesen sei. Und dann führte Paulussen das nationalsozialistische „Führerprinzip“ als moralische Instanz zu seiner Entlastung an. Das Prinzip besage, dass auf jeder Ebene der jeweilige Führer und kein (demokratisches) Gremium entscheide und verantworte, ein Mann zur Rechenschaft gezogen werden könne. Und in dem Fall sei, so Paulussen, sein Vorgesetzter, der Bannführer, der Verantwortliche.

Dem Vortrag schloss sich eine lebhafte Debatte auch über den Nationalsozialismus und dessen Opfer in Hückelhoven wie die Gewerkschaftler Willi Schade und Ernst Mokwa sowie den Lambertus-Pfarrer Dinstühler an. Zur Sprache kam auch kontrovers der Fakt, dass ein Foto des nationalsozialistischen Bürgermeisters und glühenden Hitler-Verehrers Robert Kammann in der Bürgermeistergalerie des alten Rathauses Hückelhoven hängt.

(isp)
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