Frühere Freilichtbühne bei Hückelhoven Das vergessene Theater im Wald

Hückelhoven · Der Junkerberg ist die ehemalige Heimat des Doverener Freilichttheaters – heute ziehen in diesem Bereich Demonstranten gegen den Bau der Umgehungsstraße L 364n zu Felde. Im Wald spielte einst der „Freundschaftsbund“ Doveren.

 1952 am Junkerberg: Heinrich Lützeler als „Graf Zriny“ (Mitte). Die Bäume hinter der Mauer sind echt.

1952 am Junkerberg: Heinrich Lützeler als „Graf Zriny“ (Mitte). Die Bäume hinter der Mauer sind echt.

Foto: Repro: Körfer

„Menschenansammlung am Junkerberg im Wald zwischen Hückelhoven und Doveren – 1933 und 2019. 1933 war es der Theaterverein ,Freundschaftsbund’ Doveren, der mit seinen Aufführungen bis zu 1000 Menschen zur Freilichtbühne dort zog, 2019 sind es ein paar weniger, die allerdings gegen den dort geplanten Bau der Umgehungsstraße L 364 n protestieren.“ Dies schreibt der Doverener Geschichtsforscher Frank Körfer im Heimatkalender des Kreises Heinsberg für das Jahr 2020, der gerade erschienen ist (zu kaufen im Buchhandel und bei der Kreisverwaltung).

Hauptgegenstand von Körfers Beitrag ist der Theaterverein, der 2022 sein 100-jähriges Bestehen hätte feiern können, 1966 hatte er allerdings seine letzte Aufführung auf der Freilichtbühne, die in einem Sandsteinbruch in der ansteigenden Rurterrasse ihren romantisch-lauschigen Platz gefunden hatte. Hier wurde, so Frank Körfers Recherche-Ergebnisse, zwischen etwa den Jahren 1000 und 1770 der berühmt gewordene Doverener Sandstein abgebaut, der, heute noch sichtbar, in der Doverener Kirche, Haus Hohenbusch, der Burg Hückelhoven und unter anderem am Rittergut Grittern bei Doveren verbaut ist.

Initiativ in Doveren fürs Laien-Schauspiel wurde die 1914 ins Leben gerufene Ortsgruppe Doveren der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). In einer Anzeige im „Erkelenzer Kreisblatt“ am 21. Oktober 1922 kündigt der „Freundschaftsbund“ für den „morgigen Sonntag im Saale des Herrn M. Groß einen großen Theater-Abend“ an. Zur Aufführung gelangten das Volksschauspiel „Der Meineidbauer“ und das „plattkölnische“ Lustspiel „Tünnes als Kammerjäger“. Frank Körfer ermittelte die Gründungsdaten des „Freundschaftsbunds“ – sie belegen, dass er am 22. Oktober 1922 in der Gaststätte Marx am Doverener Markt von 13 Männern (!) ins Leben gerufen wurde.

 Die Natur hat sich heute den Steinbruch und die Spielfläche des ehemaligen Laientheaters zurückgeholt.

Die Natur hat sich heute den Steinbruch und die Spielfläche des ehemaligen Laientheaters zurückgeholt.

Foto: Willi Spichartz

Spielte man in den ersten Jahren in Doverener Gasthäusern und im Pfarrsaal, drängte es die Theater-Macher in die Außenwelt, Mitte 1933 stellte der seit kurzem von den Nationalsozialisten dominierte Doverener Gemeinderat dem Theaterverein den Steinbruch am Junkerberg zur Verfügung. Eine Pacht brauchte nicht entrichtet zu werden, „entgeltlos“ war die Genehmigung aber nicht – die Nazis erwarteten ein gewisses Entgegenkommen bei der Auswahl der Darbietungen.

Die Vereinsmitglieder zimmerten selbst Tische und Bänke für die rund 1000 möglichen Zuschauer im halbrunden Naturtheater, ein örtlicher Schreinermeister fertigte die Tribüne. Der „Wunsch“ der Nazis schlug sich direkt im Programm nieder: Am 12. August 1933 freute sich das von ihnen zensierte „Erkelenzer Kreisblatt“ über die am nächsten Tag stattfindende Aufführung des Premierenstücks „Schlageter“ des Nazi-Autoren Hanns Johst. Albert Leo Schlageter war ein früher Nationalsozialist, der 1923 von einem französischen Militärgericht wegen terroristischer Aktionen zum Tod verurteilt und in Düsseldorf hingerichtet wurde. Er wurde zum Helden und Märtyrer stilisiert, ab 1933 geehrt mit zahllosen Schriften, Denkmälern und Straßenbenennungen, Doveren gab sich einen nach ihm benannten Stein, die heutige Straße Am Lieberg in Hückelhoven wurde 1934 nach ihm benannt. Nach Ende des Nazi-Systems 1945 wurde das sofort korrigiert.

Am 17. Februar 1946 gelang ein Neustart in einer Versammlung im Lokal Müller, im Sommer dann die erste Aufführung am Junkerberg. Später gehörten „Das Zigeunermädchen“ sowie die Märchen „Siebenschön“ und „Die Heinzelmännchen von Köln“ zu den präsentierten Stücken. Dazu die romantische Oper „Der Freischütz“, das Drama „Zriny“ und das tränenrührende Stück „Die Geigerin der Muttergottes“, wie Frank Körfer von noch lebenden Mitgliedern des „Freundschaftsbunds“ erfuhr.

Doch allmählich zeichnete sich nachlassendes Interesse der Zuschauer ab, Fernsehen und andere Freizeit-Angebote verdrängten schließlich 1965/66 das Freilicht-Laienschauspiel (nicht nur) in Doveren. Die Natur holte sich den Bereich zurück, der Sandsteinbruch hinter dem Hückelhovener Friedhof ist von Bäumen und Sträuchern überwuchert.

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