Hückelhoven Baaler Glocken vor 50 Jahren geweiht

Hückelhoven · Die Heilige Brigida trank lieber Kuh- als Muttermilch. Wallfahrtstradition und Glocken-Jubiläum.

 12. März 1967: Die vier neuen Glocken, mit Tannengrün umkränzt, warten vor der Kirche St. Brigida auf ihre Weihe.

12. März 1967: Die vier neuen Glocken, mit Tannengrün umkränzt, warten vor der Kirche St. Brigida auf ihre Weihe.

Foto: Baal-Buch

Vor 50 Jahren bekam die Brigida-Pfarrkirche in Baal vier neue Glocken, die sollten auch Pilgern den Weg zur "Zint Brigitt", Platt für Sankt Brigida, weisen. Denn seit 1780 pilgerten vor allem Landwirte, mächtig von Viehseuchen geplagt, zur gerade der Heiligen Brigida gewidmeten Kapelle in Baal, um dort die fürs Hausvieh zuständige Patronin um vorbeugenden Schutz und Heilung für die Nutztiere zu bitten. Tierärzte, Impfung und Antibiotika waren noch nicht bekannt.

Ohne medizinische Massenheilmittel sorgten Seuchen immer wieder für die Total-Vernichtung regionaler Tierbestände wie sie für Doveren 1746 und 1756 für Körrenzig nachgewiesen sind, Baal in der Mitte war auch betroffen. Dort war 1777/1778 eine der Heiligen Ursula gewidmete Kapelle entstanden, die 1780 bereits zur Brigida-Kapelle wurde, da man aus Rom eine Reliquie der Heiligen Brigida erhalten hatte. Sie galt schon länger als Schutzpatronin der Landwirtschaft, wurde häufig, so auch heute noch in der Baaler Kirche, mit einer Kuh an den Füßen dargestellt, da sie, so die Legende, als Säugling Kuhmilch der Muttermilch vorgezogen haben soll. Bei der Heiligen Ursula sind sich die Historiker sicher, dass sie nicht existiert hat. Bei Brigida ist man sich nicht sicher, sie ist womöglich auf die keltische Göttin "Brigid" zurückzuführen, beide werden in der altirischen Grafschaft Kildar verortet.

Die Sorge ums, vor allem, Hornvieh machte die Baaler Kapelle ab 1780 zum Ziel wundergläubiger oder -hoffender Agrarier aus der Umgebung. Kleinbauern und kleinbäuerliche Handwerker bildeten die übergroße Mehrheit der Erwerbstätigen, Nutzvieh war entscheidendes Betriebskapital. Fiel es aus, saß der Hunger mit am Tisch.

1846 schrieb Kaplan Franz Lauffs, der die Kapelle als Tochtereinrichtung der Pfarre Doveren betreute: "Am St. Brigida-Tag (1. Februar) wallet zu unserer Kapelle, wie ich aus vieljähriger Erfahrung weiß, eine ungeheure Menge Pilger aus fernen Gegenden. Da aber unser Gotteshaus kaum ein Drittel der Pilger fassen kann, können viele keine katholische Messe hören. Von daher wird an diesem Tag eine zweite heilige Messe gelesen."

Seit 1849 war Baal, vermutlich durch Brigida, eigene Pfarre geworden. Die Sache nahm ordentlich Fahrt auf, wie Pfarrer Jakob Josten 1855 schrieb: "Baal ist ein kleiner Wallfahrtsort, der das ganze Jahr hindurch, besonders an Sonntagen besucht wird."

Kurz darauf wird die Brigida-Verehrung strukturiert: Für Februar wird jährlich die "Brigida-Oktav" eingerichtet, mit täglich-feierlichen Messen, Predigt und Segnung. Baal floriert, obwohl 1858 mit dem südfranzösischen Lourdes neue Marien-Konkurrenz - Kevelaer, Holtum, Ophoven, Aldenhoven existierten ja schon lange - erscheint. 1888 ist die Brigida-Reliquie verschwunden. Ob ein armer, egoistischer Bauer sie für seinen Kuhstall entwendet hat - es wird nie geklärt. Ein befreundeter Pfarrer beschafft umgehend aus offenbar reichem Fundus eine neue Reliquie, die Wallfahrts-Erfolgsgeschichte Baals kann weitergehen. 1890 wird ein Neubau als Pfarr- und Wallfahrts-Kirche eingeweiht, die schon seit 1881 geplant worden war. Die alte Kapelle, 1835 erweitert, reichte schon lange nicht mehr aus. Das Pilger-Mengen-Niveau blieb hoch, trotz neuester Marien-Konkurrenz im portugiesischen Fatima 1917. Die Oktav hatte Volksfestcharakter, wie sich ältere Baaler und Nachbarörtler an Zeiten bis 1933 erinnerten. Die Prozession zog, Kuchen- und Süßigkeitenbuden waren an der Kirche aufgebaut, drinnen wurden geweihte Kerzen verteilt.

Die Nazis verboten Prozessionen, die Beteiligung an den Wallfahrtsoktaven ließ nach. Nach dem verheerenden Nazikrieg waren die Baaler 1950 wieder zur Wallfahrtsausrichtung erholt. Doch ein anderer Umstand trug dazu bei, dass Baal als Wallfahrtsort in einer entsprechenden Umfrage des Bistums Aachen 1980 nicht mehr erwähnt wurde: Die Ur-Haupt-Klientel, die Bauern, waren zu einer absoluten Minderheit geworden, und weil zum anderen "der Tierarzt die Funktion der Heiligen übernahm", wie Dr. Wolfgang Herborn und Frank Körfer in einem Beitrag zum Buch "1100 Jahre Baal - Beiträge zur Ortsgeschichte" 1993 schreiben.

Im März hatte die Brigida-Pfarre ihre vier melodischen Glocken gefeiert, die vor 50 Jahren, am 12. März 1967, geweiht worden waren, nachdem sie tags zuvor am Ortseingang auf dem Berg auf ihrem Weg von der Glockengießerei Gescher in Westfalen empfangen und zur Kirche geleitet worden waren. 25 Jahre zuvor, im März 1942, so melden es die Pfarrmitteilungen, hatte man zwei der drei Turm-Glocken fürs Kanonenfutter des Nazikriegs abliefern müssen, die wiederum 1926 angeschafft worden waren: die Brigida-Glocke, 1010 Kilogramm schwer, und die der "Unbefleckten Empfängnis" geweihte Glocke, 564 Kilo schwer. Einzig die Petrus-Canisius-Glocke, die leichteste, durfte bleiben und allein den Dienst am Himmel über Baal bis März 1967 tun, als die vier neuen Läutwerke kamen. Sie wurde demontiert und eingeschmolzen.

Zum Glockenguss waren viele Baaler Anfang März 1967 per Bus nach Gescher gereist. Einige Schwierigkeiten gab die Montage der neuen, 1000 Kilo schweren Christkönigsglocke mit einem Durchmesser von 1,18 Metern und Ton f'. Als sie vor dem hing mussten Ziegelsteine entfernt werden, damit sie Durchlass fand. Die Josefsglocke hat einen Durchmesser von 76 Zentimetern und wiegt 270 Kilogramm, bedient Ton c'. Die Brigidaglocke hat einen Durchmesser von 86 Zentimetern, wiegt 380 Kilogramm und hat Ton b'. Die Marienglocke verfügt über einen Durchmesser von 98 Zentimetern, hat ein Gewicht von 560 Kilo und ist zuständig für Ton as'.

(isp)
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