Amtbestattung in Hilden Stiller Abschied von einer Unbekannten

Hilden · 13 Amtsbestattungen gab es in Hilden bereits in diesem Jahr. Wenn Menschen sterben und die Angehörigen nicht ermittelt werden können, sorgen Kirche, Bestatter und Ehrenamtliche für einen würdevollen Abschied.

 Pfarrer Ole Hergarten (Mitte) erweist Gertrud May (Name geändert) die letzte Ehre. 2021 gab es in Hilden bisher 13 Amtsbestattungen. Ehrenamtliche begleiten die Beerdigung.

Pfarrer Ole Hergarten (Mitte) erweist Gertrud May (Name geändert) die letzte Ehre. 2021 gab es in Hilden bisher 13 Amtsbestattungen. Ehrenamtliche begleiten die Beerdigung.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Gertrud May (Name von der Redaktion geändert) hat keinen Grabstein, der an sie erinnert. Der Sarg, in dem sie auf dem Hildener Südfreidhof beerdigt wird, ist nicht besonders kunstvoll und auch nicht der teuerste. Die Anwesenden auf ihrer Beerdigung wissen nicht genau, wer die Frau eigentlich war. Die Verstorbene wird von Amts wegen anonym bestattet. So geht das mit jedem, der in Armut und ohne Familie stirbt. Trotzdem ermöglichen alle Anwesenden der Verstorbenen an diesem Tag einen würdevollen Abschied.

Pastor Ole Hergarten hat einen schwierigen Job. Wie verabschiedet man einen Menschen, über den niemand wirklich viel weiß? Am Abend vorher konnte er noch kurz mit einer Pflegerin telefonieren, an viel hat sie sich aber nicht erinnern können. Und so erzählt der Pastor auf Gertrud Mays Beerdigung, dass sie gerne Bananen aß.

Geld für ihre Beerdigung hatte die Verstorbene nicht gespart, Besuch im Altenheim bekam sie auch keinen. Und somit geht wenige Stunden nach ihrem Tod ein Anruf beim Ordnungsamt ein. Denn wenn ein Mensch verstirbt und sich kein Familienmitglied um die Bestattung kümmert, wird das Amt eingeschaltet. Die Mitarbeiter versuchen möglichst schnell, Angehörige zu ermitteln, die für die Kosten der Beerdigung aufkommen. Eltern, Großeltern, Kinder, Geschwister, Nichten und Neffen stehen in der Pflicht. Bei der Suche darf sich das Amt nicht zu viel Zeit lassen, denn nach zehn Tagen muss die Leiche bestattet sein. Nur in seltenen Fällen kann diese Frist verlängert werden.

Nach der Rede des Pfarrers übernehmen die Sargträger in glänzenden Mützen, polierten Schuhen und aufrechtem Gang. Ein würdevoller Anblick. Auf einer Wiese wird Gertrud May beerdigt. Nur das Gras, das an einigen etwa ein mal zwei Meter großen Stellen kürzer ist, deutet darauf hin, dass hier noch andere Menschen begraben wurden. In diesem Teil des Hildener Südfriedhofs wird jeder bestattet, der keine Angehörigen mehr hat oder aus einem anderen Grund eine anonyme Bestattung wünscht.

Vier Ehrenamtliche sind heute da, um die Verstorbene zu verabschieden. Alle sind sie Senioren. Helga Bruch ist eine von ihnen und hat einen kleinen Strauß mit weißen Lilien mitgebracht, den sie vorsichtig in die Grube wirft. Das sind auf dieser Beerdigung die einzigen Blumen. Seit 30 Jahren ist sie regelmäßig bei solchen Begräbnissen dabei und erweist völlig Fremden die letzte Ehre. „Wenn es mal ganz schlimm war und niemand da war, dann habe ich meine Tochter mitgenommen“, sagt Helga Bruch und lächelt wehmütig. „Das ist leider oft vorgekommen.“

Anne-Katrin Hoppe ist Bestatterin. „Es ist hier schon sehr still“, sagt sie. „Eine Beerdigung mit vielen Angehörigen finde ich natürlich schöner.“ Ihr Bestattungsunternehmen wurde vom Ordnungsamt beauftragt, Gertrud May zu beerdigen. Drei Monate ist sie nun für die Amtsbestattungen zuständig, die anfallen. Danach erhält ein anderes Hildener Bestattungsunternehmen die Aufträge. Dieses System ist unüblich, weiß Hoppe. In anderen Städten werden die Beerdigungen in öffentlichen Ausschreibungen deutschlandweit angeboten. Der billigste Bestatter bekommt dann den Auftrag. Und so kann es vorkommen, dass ein Mensch, der in Nordrhein-Westfalen stirbt, auf einem Friedhof in Thüringen oder Sachsen bestattet wird.

In Hilden bezahlt das Ordnungsamt eine Pauschale von 1500 Euro pro Beerdigung und noch mal bis zu 1500 Euro für den Platz auf dem Friedhof. Die Bestatter dürfen nur das notwendigste organisieren. „Wir verdienen daran nichts“, sagt Anne-Katrin Hoppe. „Wir alle hier tun ein bisschen was dazu, damit die Menschen würdevoll verabschiedet werden.“

Für alle Anwesenden ist der Tod Routine. Niemand scheint traurig zu sein, doch alle sind betrübt. Nach einem „Vaterunser“ ist die Beerdigung vorbei.

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