Hilden „Wir haben offenbar verlernt, uns gegenseitig zu trösten“

Hilden · In dem neu angelegten Sternenkinderfeld auf dem Südfriedhof fand am Mittwoch die erste Beerdigung statt. Nur wenige Angehörige waren dabei.

 Diakon Michael Ruland und Pfarrerin Nicole Hagemann trugen am Mittwoch die ersten Kinder auf dem neuen Sternenfeld zu Grabe.

Diakon Michael Ruland und Pfarrerin Nicole Hagemann trugen am Mittwoch die ersten Kinder auf dem neuen Sternenfeld zu Grabe.

Foto: Bernd Rosenbaum

Der weiße Sarg ist kaum 60 Zentimeter lang. Und doch fanden darin 33 Kinder Platz. Kinder, die nie das Licht der Welt erblickten, sich zum Teil bereits in einem frühen Stadium der Schwangerschaft nicht weiterentwickelten und starben. Die früher als „genetisches Material“ abgewertet und „entsorgt“ worden wären – ungeachtet der emotionalen Bindungen, die Mütter, und oft auch Väter, schon in dieser kurzen Zeit zu ihnen aufgebaut haben mochten.

Jetzt haben diese Kinder im neuen Sternenkinderfeld auf dem Südfriedhof eine würdige letzte Ruhestätte gefunden. Gestern Nachmittag zelebrierten der katholische Diakon Michael Ruland und die evangelische Pfarrerin Nicole Hagemann die erste ökumenische Beerdigung dieser Sternenkinder. Eingeladen dazu waren alle Eltern und Angehörige, die seit Januar von einer Fehlgeburt betroffen sind. Gekommen waren jedoch lediglich einige Großeltern.

„Für die Eltern ist das vielleicht noch zu schwer“, vermutet Nicole Hagemann. Die Pfarrerin weiß, welche Belastungen die Eltern aushalten müssen – nicht nur, weil sie oft beruflich damit konfrontiert wird. Hagemann ist auch Betroffene. Sie hat zwischen 2013 und 2015 selbst drei Schwangerschaften erlebt, „die still endeten“, wie sie erzählt. Damals gab es die Möglichkeit zur Bestattung von Kindern unter 500 Gramm noch nicht. Verarbeitet hat sie die Erlebnisse auch dank ihres Berufes: „Bei jeder Bestattung, die ich als Pfarrerin machte, konnte ich ein Stück meiner eigenen Trauer mit hineinlegen.“

Geholfen habe ihr aber auch, dass sie nach der dritten Fehlgeburt noch eine gesunde Tochter zur Welt brachte.

Auch wenn Schätzungen zufolge jede dritte Schwangerschaft mit dem Tod des Kindes ende, komme das Thema doch in der Öffentlichkeit kaum vor. „Und wenn man im Bekanntenkreis davon erzählt, hat man das Gefühl, als müsse man als Betroffene sein Gegenüber trösten, statt selbst Trost zugesprochen zu bekommen“, sagt Nicole Hagemann und fügt hinzu: „Wir haben offenbar verlernt, uns gegenseitig zu trösten.“

Derzeit gebe es Überlegungen, ein regelmäßiges Trauercafé für Eltern von Sternenkindern einzurichten, erzählt Hagemann. Dort könnten sich Betroffene austauschen. Die Pläne seien aber noch in einem frühen Stadium.

Von misslungenen Reaktionen gegenüber Betroffenen kann auch Ursula Müther berichten. „Ein Satz wie ‚Du kannst ja noch ein Kind bekommen’ tröstet keine Frau“, weiß die leitende Hebamme am St.-Josefs-Krankenhaus. Denn schließlich müsse die Mutter ja den Verlust gerade dieses Kindes verkraften. Besser sei es dann, die betroffene Mutter zu fragen: „Wie kann ich Dir helfen?“

Helfen würden positive Erinnerungen, berichtet Müther. „Viele Frauen wollen im ersten Moment nach der Geburt das tote Kind nicht sehen. Doch davon lasse ich mich nicht abhalten.“ Die Hebamme frage dann ein zweites, drittes, viertes Mal nach, ob die Mutter es nicht doch sehen wolle. Und fast alle überlegen würden es sich dann doch anders überlegen. „Wir richten die Kinder dann entsprechend her und kuscheln sie in kleine Tücher, als würden sie schlafen“, schildert Müther und fügt hinzu: „Wir schaffen Erinnerungen, das ist das einzige, was wir tun können. Wir können das Schicksal nicht ändern, wir können nur versuchen, gut zu begleiten.“

Vielen Frauen helfe auch, dem toten Kind einen Namen zu geben, und sei es nur ein Kosename wie „Bärchen“ oder „Mäuschen“. Und ein Ort zum trauern. Der ist nun mit dem Sternenkinderfeld auf dem Südfriedhof geschaffen worden. Gegenüber dem Zugang zum Sternenfeld soll noch eine Sitzbank aufgestellt werden, um dort Platz nehmen zu können. Grabplatten für die einzelnen Sammelsärge soll es nicht geben, dafür können Angehörige kleine Andenken wie bemalte Steine oder Blumen platzieren.

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