Kreis Mettmann Wenn Deutschland mit guter Arbeit lockt

Kreis Mettmann · Der Expat Service Desk hilft Betrieben, ausländische Fachkräfte anzuwerben. Jetzt laufen allerdings die europäischen Fördermittel dafür aus.

Die Mitarbeiter der Firma Witte Automotive sind neugierig auf ihren neuen Kollegen. Schon bald soll ein 30 Jahre alter Ingenieur aus dem indischen Tochterunternehmen zum Team dazustoßen. Die Fachkraft wird ein Jahr lang in Deutschland arbeiten, "um das deutsche System kennenzulernen", erläutert Anja Amling von der Personalabteilung des Automobilzulieferers.

Doch bis es so weit ist, sind noch einige bürokratische Fragen zu klären. Zum Beispiel die, ob eine indische Fahrerlaubnis auch in Deutschland anerkannt wird. Oder ob die kleine Tochter des indischen Mitarbeiters so ohne weiteres eine deutsche Kindertagesstätte besuchen darf.

Weil die Personalabteilung der Firma Witte noch keine Erfahrung damit hat, einen Mitarbeiter aus dem außereuropäischen Ausland ins Unternehmen zu integrieren, weiß Anja Amling zunächst keine Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Die Rechtslage ist kompliziert, der bürokratische Dschungel groß. Daher verlässt sich Anja Amling jetzt auf den Rat des Expat Service Desk: Er ist die erste Anlaufstelle für internationale Fach- und Führungskräfte, aber auch für kleine und mittelständische Unternehmen, wenn es darum geht, Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen.

Für Düsseldorf und den Kreis Mettmann bietet dieser Transfer eine wichtige Chance. Denn der Arbeitsmarkt in der Region "bietet vergleichsweise wenige Arbeitsplätze für Menschen mit geringer beruflicher Qualifikation", heißt es von der Agentur für Arbeit. Dem stehe ein nur geringes Angebot an Fachkräften gegenüber: Rund 65 Prozent der arbeitslosen Kunden des Jobcenters fehlt ein Berufsabschluss. Bei den Kunden der Arbeitsagentur liegt dieser Anteil immerhin auch noch bei etwa 26 Prozent. "Insbesondere Fach- und Führungskräfte, sowie Arbeitskräfte für qualifizierte Helfertätigkeiten sind weiterhin gefragt", berichtet die Arbeitsagentur im "Handlungsplan für die Region Düsseldorf/ Kreis Mettmann - Fachkräftesicherung NRW".

Hier setzt der Expat Service Desk ein. Er ist ein Projekt der Stadt Düsseldorf, des Kreises Mettmann und der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Seine Mitarbeiter beraten sowohl ausländische Fachkräfte, als auch inländische Unternehmen mit dem Ziel, den hiesigen Fachkräftemangel durch Mitarbeiter aus dem Ausland zumindest zu dämpfen. Im vergangenen Jahr betreuten die Mitarbeiter dieser Einrichtung 77 Unternehmen, davon jedes im Schnitt drei mal. Die Hälfte davon waren deutsche Firmen. Unter den ausländischen Unternehmen waren in der Mehrzahl japanische und chinesische Firmen.

Darüber hinaus wurden an 542 Terminen insgesamt 283 Einzelpersonen beraten.

Der Löwenanteil an der Beratungstätigkeit machten indes Düsseldorfer Ratsuchende auf. Auf den Kreis Mettmann entfielen insgesamt 60 Beratungen. Das ist ein eher geringer Anteil, der die Politiker im Kreistag skeptisch sein lässt. Denn zurzeit wird überlegt, ob, wie lange und in welcher Form der Expat Service Desk fortgesetzt werden soll. 195.000 Euro beträgt das jährliche Gesamtbudget der Einrichtung. Bislang gab es dafür europäische Fördermittel. Die laufen Mitte 2019 aus. Künftig sollen die Partner die Kosten in gleichen Teilen tragen. Das sind 65.000 Euro jährlich für den Kreis Mettmann. Vier Jahre, so der Vorschlag der Kreisverwaltung, soll das Projekt so fortgesetzt werden. Eine Dauer, die dem Wirtschaftsförderungsausschuss des Kreistages als zu lang erschien. Nun wurde ein Horizont über zwei Jahre vereinbart, um dann weiterzusehen, wie wichtig tatsächlich die Beratungsstelle für Unternehmen im Kreis Mettmann ist.

Aus Sicht von Dirk Haase, Leiter der Wirtschaftsförderung des Kreises Mettmann, ist die Beratungsleistung des Expat Service Desk sehr zu schätzen. "Das Projekt ist so sinnvoll, dass wir es auch ohne Förderung fortsetzen wollen", betont er. Denn viele kleine und mittelständische Unternehmen haben nicht das Know-how, ausländische Fach- und Führungskräfte anzuwerben - und damit einen Wettbewerbsnachteil. Dass die Beratungsleistung für Düsseldorfer einen größeren Anteil ausmacht als die für den Kreis Mettmann, bildet aus Sicht von Landrat Thomas Hendele keinen Nachteil: "Wir sollten uns von einer klein karierten Denke trennen. Es ist doch egal, ob die Beratung in Unterbach oder in Erkrath-Unterfeldhaus stattgefunden hat", sagt er.

Zumindest bis einschließlich 2021 also scheint die Einrichtung nun gesichert. Dann heißt es, Bilanz zu ziehen. Für Anja Amling von Witte Automotive ist jedoch jetzt schon klar: "Das Angebot ist auf jeden Fall eine Bereicherung. Gerade für Unternehmen wie wir es sind, wird sich das Problem des Fachkräftemangels in Zukunft noch verstärken." Und der Beratungsbedarf werde sich damit vergrößern. Und schon jetzt überlege die Firma Witte, weitere Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

(arue)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort