Bundestagswahl 2021 Marketing-Profi mit Hang zum Polarisieren

Haan · Der 67-jährige Martin E. Renner war 2013 einer der 15 Gründer der Partei Alternative für Deutschland und entwarf auch deren Parteilogo. Seine oft polemisch zugespitzten Reden spalten, erregen aber Aufmerksamkeit - und genau das will der Haaner.

 Martin Erwin Renner (AfD) in seinem Büro an der Kölner Straße in Haan.

Martin Erwin Renner (AfD) in seinem Büro an der Kölner Straße in Haan.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Wer Martin Erwin Renner in seinem Haaner Wahlkreisbüro aufsucht, fühlt sich unwillkürlich in die politischen Talkshows der frühen 1960er-Jahre zurückversetzt. Damals wurde bei nahezu jedem Interview geraucht, was das Zeug hielt. Auch Renner ist während des Gesprächs fast durchgängig von Tabakschwaden eingenebelt. „Das ist mein Laster“, sagt er lächelnd. Sein täglicher Konsum: 60 bis 70 Glimmstängel.

Ganz und gar nicht nebulös ist dagegen, was der Haaner AfD-Bundestagsabgeordnete bei seinen öffentlichen Auftritten von sich gibt – dafür ist es oft starker Tobak. Im „Erfahrungsbericht“ zu einer AfD-Veranstaltung in Wuppertal prangerte er „die sukzessive Eroberung unserer Gesellschaft durch die neo- und kulturmarxistische Ideologie“ an. Die werde „betrieben durch den polit-medialen Komplex und ihre Beutegesellen – Kirchen, NGOs und Gewerkschaften“. Manch einer bekommt da auch ohne Zigarettenqualm Hustenreiz.

Beim Thema Zuwanderung und ihrer Begrenzung zitiert Renner gerne mal den heiligen Thomas von Aquin „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit. Aber Barmherzigkeit ohne das Recht (Gerechtigkeit) ist die Auflösung aller staatlichen Ordnung.“ Die Vorliebe fürs Theologische kommt nicht von ungefähr: „Ich sollte ursprünglich mal katholischer Priester werden – wie die meisten der zweitgeborenen Söhne in meiner Familie“, sagt Renner, der in Reutlingen aufwuchs und als 16-Jähriger besonders die Ethik-Vorlesungen eines gewissen Joseph Ratzinger schätzte, der spätere Papst Benedikt XVI.

Die Begegnung mit dem Gott „Eros“, wie der 67-Jährige es ausdrückt, bereitete seiner Karriere als Geistlicher ein jähes Ende. Dafür begann eine andere: Renner studierte Betriebswirtschaftslehre, wurde Marketingdirektor des Frankfurter Pharmazie- und Kosmetikunternehmens „Merz“ und zog nach Haan. Hier betrieb er eine Marketing-Agentur, die Kommunikationsstrategien für internationale Pharmazie- und Kosmetikkonzerne entwickelte.

Das kam ihm 2013 politisch zugute, als der damalige CDU-Mann mit einem anderen Haaner ein neues Projekt startete: Gemeinsam mit Bernd Lucke wurde Renner einer der 15 Gründungsinitiatoren der „Alternative für Deutschland“, wobei er auch den Parteinamen entwickelte und das Logo entwarf. Dass heute auf den meisten Wahlplakaten nur noch das Kürzel AfD abgedruckt ist, sieht der Werbe- und Politikprofi gar nicht gerne: „Alternative für Deutschland ist eine klare Aussage“, sagt er, ein Markenzeichen. AfD dagegen könne alles bedeuten und biete Spielraum für Verballhornungen wie etwa „Auffangbecken für Dummköpfe“.

Dass er selbst alles andere als ein Dummkopf ist, stellt Renner, der dem Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung angehört, im Laufe des Gesprächs mehrmals unter Beweis – etwa, wenn er die Verwässerung von Zuständigkeiten in der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik beklagt. Oder in unverständlichem Juristendeutsch abgefasste Direktiven der EU-Kommission anprangert, die im Bundestag oft ungelesen als Kenntnisnahme durchgewunken würden, obwohl sie unmittelbare Auswirkungen auf die Bürger hätten. Dies alles trage zur Dysfunktionalität des Staatsapparats bei – gegen die zieht er zu Felde. Wortreich.

Dass die Wahl seiner Worte Menschen dabei oft in Rage bringt, ist Martin Renner sehr wohl bewusst: „Ich mag es, mit Ironie zu spielen, Formulierungen zuzuspitzen“, sagt er. Das vertrage nun mal nicht jeder.

In seinem Wuppertaler Erfahrungsbericht bekamen das junge Leute zu spüren, die gegen die AfD demonstrierten: „Antifa-Schreikinder und terrorerfahrene Jung-Erwachsene“, ließ Renner da wissen, „taten ihr Bestes, um die CO2-Belastung der Umwelt zu erhöhen, da ja beim Schreien ungleich mehr CO2 ausgestoßen wird, als beim normalen Ein- und Ausatmen.“

Es sei denn, man atmet Zigarettenqualm aus.

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