Serie: "Ich war einmal..." Von der Schänke zur Apotheke

Hilden · 73 Jahre lang war die Nutzung des Turmhauses an der Kirchhofstraße 73 von der Gastronomie geprägt. Dann stellte Günter Spiller dort, wo zuletzt eine Disco war, seine Apothekerschränke auf.

 Claudia Spiller und Tochter Nora im Innenhof der Turm-Apotheke an der Kirchhofstraße. Der rechte Gebäudeteil ist der ältere.

Claudia Spiller und Tochter Nora im Innenhof der Turm-Apotheke an der Kirchhofstraße. Der rechte Gebäudeteil ist der ältere.

Foto: Anja Tinter

Einen Tag vor der Eröffnung seiner Schankwirtschaft schaltete August Dissmann eine Anzeige. Darin hieß es: "Ich begehre mich hiermit ergebenst anzuzeigen, dass ich mein neu erbautes Gasthaus ,zum Jägerhof' morgen eröffne. Es wird mein aufrechtes Bestreben sein, gute Getränke und Küche zu führen." Das war im Juni 1903. Gastronomisch bewirtschaftet werden sollte das prächtige Gründerzeit-Haus an der Kirchhofstraße noch bis Ende 1976.

Markantes Türmchen

Architektonisch verkörpert das Gebäude das deutsche Kaiserreich um die Jahrhundertwende. Nicht überbordend, aber auch nicht schmucklos: Es finden sich an der Fassade vereinzelte Ornamente und — als markantes Merkmal — ein achteckiges Türmchen. Das Schönste indes liegt einigermaßen verborgen, man muss das Grundstück durch das schöne eiserne Tor entern. Dann kann man einen Blick auf den rückwärtigen Gebäudeteil und die Anbauten werfen: alter Klinker, Kopfsteinpflaster, Efeu — ein zeitloser ästhetischer Akkord. Klassische Gartenarchitektur mitten in Hilden. Unmittelbar neben der S-Bahn-Trasse.

Elfriede Breuer, die 1941 für ihren zum Heeresdienst eingezogenen Ehemann Ferdinand die Führung des Gastronomiebetriebs übernommen hatte, ließ 1956 im hinteren Bereich des Grundstücks einen Schießstand errichten, der bis 1980 genutzt wurde. Bereits 1977 hatten der Apotheker Günter Spiller und seine Frau das Gebäude günstig erworben. Durch die Lage direkt gegenüber der Biermannschen Frauenklinik war es geradezu prädestiniert für die Nutzung als Apotheke. Und leben wollte das Ehepaar dort auch — mit Kind, Katzen und Hund.

Als Ziel war die "stilgerechte Restaurierung" ausgegeben worden. Es wurde erreicht, sofern man bei einer über 100 Jahre alten Immobilie überhaupt je sagen kann, es geschafft zu haben. Arbeit bleibt immer. Detailverliebtheit hilft jedenfalls, denn bei den Umbauarbeiten hatten die Spillers alte Stuckdecken entdeckt, die teilweise gerettet werden konnten. Und das eiserne Tor hat Spiller bei einem Fabrikabriss in Haan retten können.

Club für Teens und Twens

Mit der Nutzung als Apotheke kehrte für die Anwohner endlich die in etlichen Eingaben und Bürgermeistersprechstunden eingeforderte Ruhe ein. Im Sommer 1961 hatte nämlich mit dem Club 17 "der Treffpunkt für Teenager und Twens" eröffnet. Im September 1968 übernahm der spätere "Heidekrug"-Pächter Gerd Schulz das Ruder in der Disco, die er erst "Studio C" nannte und später — nach einem Auftritt des Schlagersängers Peter Rubin — in "Rubin Club" umtaufte. Schon drei Monate später machte der Club erste negative Schlagzeilen nach einer Schlägerei. Aus dem Polizeibericht: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich in dieser Gaststätte, vom Gastwirt unbehelligt, asoziale Schichtungen der Bevölkerung, vornehmlich Heranwachsende, einfinden, um hier private Streitigkeiten auszutragen."

Im März 1972 brannte der Club zum ersten Mal völlig aus. Im Dezember 1976 — da schon unter anderer Leitung — gar ein zweites Mal. Dann kam, nach über 70 Jahren gastronomischer Nutzung, der Aufbruch in eine neue Ära. Seit 1987 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

(maxl)
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