Hilden Uni: Seniorennetzwerk vorbildlich

Hilden · Vor zehn Jahren ermunterte die Stadt Ältere, ihr Leben in freien Gruppen selbst zu organisieren. Ergebnis: ein neues Mit- und Füreinander, das Hilden zum leuchtenden Vorbild im Land macht.

Knapp 13 000 Hildener sind heute bereits 65 Jahre und älter. Geschätzt wird, dass ihre Zahl bis 2030 auf knapp 17 000 steigen wird. Senioren machen dann etwa 30 Prozent der Bevölkerung aus. Ihre Betreuung nach alten Rezepten überfordert Wohlfahrtsverbände und Stadt. Deshalb ermunterte die Kommune vor zehn Jahren über 50-Jährige, ihren dritten Lebensabschnitt selbst in Netzwerkgruppen zu organisieren. Eine Bilanz stand Donnerstag bei einem Fachtag in der Friedenskirche auf dem Programm.

Dr. Hartmut Meyer-Wolters, Professor an der Universität Köln, hat dieses Konzept durch eine repräsentative Befragung von Senioren in Hilden überprüft. Ergebnis: Deutliche Verbesserungen sehen drei Viertel bei den Beratungsangeboten für Ältere, zwei Drittel bei den Freizeitangeboten, die Hälfte bei der Versorgung bei gesundheitlichen Einschränkungen und in der Beachtung ihrer Anliegen. Meyer-Wolters: "Man könnte Hilden für eine Insel der Seligen halten."

Zu den Netzwerkgruppen fand die Studie heraus: Die Netzwerker helfen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch den Menschen in ihrer Umgebung. Sie sind überdurchschnittlich zusätzlich ehreamtlich aktiv und so gut über die Hilfs- und Beratungsangebote in der Stadt informiert, dass sie "Lotsen" für schlechter informierte Menschen werden. Und: Die Netzwerker motivieren andere, aktiv zu werden.

Loring Sittler vom Generali Zukunftsfonds, der gerade eine große Altersstudie veröffentlicht hat, lobte am Donnerstag die Netzwerkgruppen in Hilden als "Leuchtturmprojekt", das wohl einmalig in Deutschland sei: "Unsere Studie zeigt, dass Senioren möglichst lange in ihren Wohnungen bleiben wollen. Dazu braucht man Strukturen, die das auch ermöglichen." Die Seniorenarbeit in Hilden sei dafür ein "Musterbeispiel". "Hilden hat es in meisterhafter Weise verstanden, die Strukturen, die wir als Land zur Verfügung stellen, zu nutzen", sprach Dr. Claus Eppe vom Landesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter seine Anerkennung aus. Die Netzwerkgruppen hätten einen Emanzipationsprozess losgetreten, bilanzierte Awo-Vorsitzender Altbürgermeister Günter Scheib: "Das hätte ich nicht erwartet. Das neue Selbstbewusstsein der Älteren wird sich auch auf anderen Feldern, etwa der Politik, auswirken." Die Stadt erhalte eine neue Rolle, glaubt auch Sozialdezernent Reinhard Gatzke: "Wir müssen die neue Freiheit auch zulassen."

Andrea Schoder leitet das Nachbarschaftszentrum St. Jacobus. Dort ist gerade eine neue Generation der Netzwerker gestartet: "Viele haben das Bewusstsein: Ich muss jetzt mit 50 etwas dafür tun, damit ich mit 75 ein soziales Netzwerk habe. Das hätte ich nicht erwartet." Beeindruckt habe sie auch die Beobachtung: "Da treffen sich Menschen, die teilen Freud und Leid."

Die Studie "Aktives Altern in Hilden" fand auch heraus: 90 Prozent der Befragten fühlen sich in ihren Quartieren sehr wohl, die Nachbarschaft ist gut und die Menschen seien in den vergangenen zehn Jahren freundlicher geworden.

(RP/ac)
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