Hilden Therapie nach Feierabend
Hilden · In den ambulanten Reha-Gruppen der SPE Mühle sind derzeit einige Plätze frei. Die Suchthilfe sieht die Therapie als Chance für alkohol- und medikamentenabhängige Erwachsene, die vom sozialen Umfeld unterstützt werden.
Anfangs trank Yvonne P.* ab und zu ein Gläschen Wein, um abends zu entspannen: Der Alltag mit dem Job in der Bäckerei und den zwei pubertierenden Kindern forderte die heute 41-Jährige. Weil ihr Mann beruflich oft unterwegs war, kam das ein oder andere Glas hinzu, um die Einsamkeit zu bekämpfen – eine gefährliche Gewöhnung. Als er ihr eröffnet, dass er eine Freundin habe, wird die Weinflasche erst recht zum Seelentröster – bis ihre Tochter sie anspricht. Dies war der Auslöser für ihren Anruf bei der Suchthilfe der SPE Mühle: "Ich wollte nicht, dass meine Kinder sich für ihre Mutter schämen müssen."
Abstinent leben – aber zufrieden
Yvonne P. ist eine von zahlreichen Frauen, die es dank der Suchthilfe der Sozialpädagogischen Einrichtung (SPE) Mühle geschafft haben, heute abstinent zu leben. "Und zwar zufrieden abstinent", betont Heike Jablonski. Die Leiterin der Suchthilfe hat die Frauengruppe "Therapie nach Feierabend" vor neun Jahren ins Leben gerufen, damit die vielfach alleinerziehenden Frauen in ihrer Familie bleiben können. Vor zwei Jahren kam als Alternative zum stationären Aufenthalt die Gruppe für Männer hinzu, die von Peter Bockholdt geleitet wird. Beide Gruppen werden derzeit von je sieben Teilnehmern besucht und bieten noch maximal fünf freie Plätze an. "Geeignet sind die ambulanten Gruppen für Suchtkranke, die sozial oder beruflich noch integriert sind, also eine Unterstützung im Alltag haben", erklärt Jablonski. Beim Erstkontakt wird nicht nur das Trinkmuster, sondern auch das Umfeld unter die Lupe genommen. Die Bandbreite ihrer Klientinnen ist groß. Doch egal ob Hartz-VI-Empfängerin oder Akademikerin: "Die Frauen kommen meist gut und schnell ins Gespräch, zumal sie ja im selben Boot sitzen." Männer täten sich mit der Offenheit ungleich schwerer, hat Bockholdt beobachtet – und zögerten länger mit dem Weg in die Beratung. Während hier das Durchschnittsalter bei 50 Jahren liegt, sind die Frauen zwischen 30 und 40.
In der Gruppe "Nein" sagen lernen
"Der Satz, den ich am häufigsten höre, ist: Ich könnte jederzeit mit dem Trinken aufhören", berichtet der 61-jährige Sozialarbeiter. Dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, ist zentrales Anliegen der "Therapie nach Feierabend". Die wöchentlichen Gruppen- und Einzelsitzungen sind verpflichtend. Thematisch geht es beispielsweise um Rückfallrisiken ("Nein"-Sage-Übungen inklusive) oder den Umgang mit Scham- und Schuldgefühlen. Biografisch wird die Funktionalität der eigenen Sucht aufgearbeitet, denn "jede Sucht hat ja ihre Geschichte", so Jablonski.
Von den 37 Frauen und Männern, die im vergangenen Jahr die ambulante Reha begonnen haben, sind noch zehn dabei. Sechs haben sie abgebrochen, zwei haben sich inzwischen stationär aufnehmen lassen. Und 19 Teilnehmer haben die Therapie erfolgreich beendet und besuchen jetzt eine Selbsthilfegruppe. * Name geändert