Segelfliegen Freiheit unter den Wolken

Die Premiere im Segelflieger sprengt alle Erwartungen. Erst macht der Magen fast schlapp, dann aber überwiegt die Faszination. Denn es eröffnet sich ein völlig neuer Blick auf die gewohnte Umgebung.

Der weiße Flieger steht am Ende des Langenfelder Segelflugplatzes — für einen optimalen Start immer gegen die Windrichtung. Ein Flügel liegt auf dem Rasen, der andere steht auf der anderen Seite etwas hoch. "Jetzt geht's gleich los", sagt Yannic Müller als er, mit Fallschirm ausgestattet, die Plexiglashaube des Cockpits über seinem Kopf geschlossen hat und das über 800 Meter lange Seil am Rumpf eingeklinkt ist. Ein Starthelfer steht am linken Flügel und hält das Segelflugzeug nun waagerecht. Er hebt den Arm — der Flieger ist startbereit.

Mit einem starken Ruck zieht die Seilwinde, die am anderen Ende der Startbahn steht, den Segelflieger hoch. In drei Sekunden beschleunigt der weiße Zweisitzer des Typs ASK 21 von null auf hundert Stundenkilometer — der Passagier spürt fast jedes seiner inneren Organen und wird fest in den Sitz gepresst wird. Doch das ist schnell vorbei. Die Nadel auf dem Variometer, das die Steig- oder Sinkgeschwindigkeit anzeigt, schlägt aus. Mit über zehn Metern pro Sekunde geht es gen Himmel. Zum Vergleich: Der Fahrstuhl im Düsseldorfer Fernsehturm steigt mit zwei bis vier Metern pro Sekunde.

In ungefähr 350 Metern Höhe klinkt das Seil etwa 30 Sekunden nach dem Start aus. "So, jetzt fliegen wir frei", verkündet Yannic Müller und fliegt eine Linkskurve. Der 18-Jährige macht sich auf die Suche nach einer guten Thermik, die den Segelflieger in die Lüfte hebt und meist unter einer Quellwolke zu finden ist. Das Variometer signalisiert mit einem Piepton, dass der Flieger steigt. Fortan fliegt Müller im Kreis, um an dieser Stelle die Thermik zu nutzen.

Mit zwei Fußpedalen steuert der Pilot das Seitenruder, mit dem Steuerknüppel lenkt er Quer- und Höhenruder. Der Fahrtmesser zeigt eine Geschwindigkeit von 80 bis 100 Stundenkilometern an. Und auch das Variometer schlägt immer mal wieder aus. Der Höhenmesser zeigt an, dass der Flieger gerade 1600 Meter erreicht hat. Bis über 8000 Meter schaffen die besten Segelflieger der Welt. Die unmotorisierten Luftfahrzeuge sind am Himmel gegenüber großen Passagiermaschinen sogar gleichberechtigt, für sie gelten dieselben Verkehrsregeln.

Einige Meter weiter unten dreht ein anderer Pilot seine Runden. Die Aussicht auf Langenfeld, Solingen und Hilden in ein bis zwei Kilometern Höhe ist fantastisch. Der Ungeübte weiß die Landschaft nicht auf Anhieb einzuordnen. Die Segelflieger sind die Vogelperspektive jedoch gewöhnt, können sich auch am Kompass orientieren. Schnell findet sich Pilot Müller daher zurecht.

Segelfliegen ist ein Teamsport, deshalb ist auf dem Flugplatz viel Bewegung. Mit einem Buggy der Marke Eigenbau mit VW-Käfer-Motor ziehen die Vereinskameraden die Seile zurück zum Startpunkt. Einen anderen Flieger schieben sechs Sportler gleich nach der Landung per Muskelkraft ebenfalls zum Ausgangspunkt zurück. Zugleich sitzen zwei Klubmitglieder auf dem Startwagen — eine Art kleiner Tower. Dort überwachen die beiden den Funk und führen Buch über die Starts. Und schließlich gilt es auch die 320 PS starke Seilwinde zu bedienen. Unter den Helfern sind auch viele junge Leute, die gerne fliegen möchten.

Yannick Müller setzt zur Landung an. Mit einer präzisen Kurve bringt der 18-Jährige den Flieger auf Kurs. Um weiter an Höhe zu verlieren, fährt er zwei Bremsklappen aus den Flügeln aus. Schnell sinkt der Segler, lässt die Baumkronen hinter sich — und setzt weich auf dem Boden auf. Kurz darauf kommt schon das "Bodenpersonal" und bringt den Flieger zum Start zurück. Denn an einem so schönen Wochenende wollen viele Sportler einen Flug absolvieren. Da das in Hilden derzeit nicht geht, arrangieren sich die in Langenfeld heimischen Piloten der LSG Erbslöh mit den Aktiven der LSG Kesselsweier — und verzichten ihren Gästen zuliebe sogar auch mal auf einen Flug.

(RP)
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