Hilden Raphaels Traum wird Wirklichkeit

Hilden · Viele Hildener haben für den querschnittsgelähmten 31-Jährigen Geld gespendet und ermöglichen ihm so eine Therapie in Australien. Ein Termin steht auch schon: Im Spätsommer geht es los.

 Raphael Simson hat das Geld für Therapie in Australien bereits zusammen. Dank vieler Hildener Spender.

Raphael Simson hat das Geld für Therapie in Australien bereits zusammen. Dank vieler Hildener Spender.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Raphael Simson hat es geschafft – mit der Hilfe von ganz vielen Hildenern. Der querschnittsgelähmte junge Mann hat das Geld für seine Therapie in Australien zusammen. Und das Beste: Ein Termin steht auch schon. Am 7. September beginnt sein sechswöchiges Training in der Nähe von Brisbane. „Das fühlt sich gut an“, sagt er, „ich bin allen Spendern sehr dankbar.“ Über die Internetplattform „Gofundme“ („Geh und finanzier mich“) hat er Geld gesammelt – auch viele RP-Leser haben Geld gespendet, nachdem sie sein Schicksal gelesen haben.

Am 6. Juni 2007 ändert sich für Raphael Simson alles. Die Sonne scheint, die Temperaturen liegen um die 25 Grad – perfektes Badewetter, denkt sich der damals frisch gebackene Abiturient. Mit einem Bekannten genießt er die neu gewonnene Freiheit und das Wetter am Elbsee. Dann springt er ins Wasser. Beim ersten Mal geht’s noch gut, beim zweiten Mal kommt er mit dem Kopf auf, bricht sich das Genick, treibt bewegungsunfähig auf den Grund zu. Sein Bekannter erkennt die Situation, zieht ihn aus dem Wasser.

Was folgt ist ein Kampf zurück ins Leben. Erst 2019 werden ihm Assistenten bewilligt, die ihn im barrierefrei umgebauten Erdgeschoss des elterlichen Hauses unterstützen. Vorher hat Raphaels Mutter ihren Sohn gepflegt. Körperlich ist Raphael Simson aber weiterhin stark eingeschränkt. An laufen ist nicht zu denken, ohne Stütze aufrecht sitzen klappt ebenfalls nicht. Der 31-Jährige ist von der Brust ab gelähmt, hat dort auch kein Gefühl mehr, sitzt im Rollstuhl. Seine Hände kann er nicht richtig bewegen. „Ich brauche bei allem Hilfe“, sagt er. Und obwohl er jeden Tag hart trainiert, hat sich noch keine Verbesserung eingestellt.

Im Internet ist er auf eine neue, außergewöhnliche Therapieform gestoßen, die bislang nur in Australien angeboten wird: Neurophysics (www.neurophysicstherapy.global). 16.000 Euro kostet das sechswöchige Training, bei dem Spastiken des Körpers gezielt eingesetzt werden, um Arme und Beine zu steuern. In einem ersten Schritt, muss Raphael Simson lernen, die bislang willkürlich auftretenden Spastiken gezielt zu verursachen, um sie dann später in Bewegungen umzusetzen. Danach trainiert er an Geräten. „Und zwar in einer Art Fitness-Studio“, sagt er. Über das Internet-Kommunikationsprogramm Skype hat sich Raphael Simsom bereits mit dem Therapeuten unterhalten und weiß, was auf ihn zukommt.

16.000 Euro waren das Ziel der Spendenkampagne im Internet. Das Geld hätte die Therapiekosten gedeckt. Seine Eltern waren zunächst skeptisch, ob er dieses Ziel erreichen könnte. Nun sind es bei „Gofundme“ fast 20.000 Euro. „Meine Eltern waren sehr überrascht.“ Viele RP-Leser haben ihm darüber hinaus direkt Geld überwiesen. „Ich habe mich bei allen Spendern persönlich bedankt“, sagt Raphael Simson. Mit vielen hat er telefoniert und tolle Gespräche geführt. „Das hat mich zusätzlich motiviert“, sagt er.

Raphael Simson ist gerührt, dass so viele Menschen Geld gespendet haben. Ehemalige Weggefährten, beispielsweise sein Abiturjahrgang und seine Vereinskollegen vom Kanu-Club Hilden haben Geld zusammengelegt. Aber auch seine Kontrahenten von damals. So schreibt ein Mitglied des Kanu-Klubs Zugvogel Essen: „Da wir Slalomfahrer alle eine große Familie sind, ist solidarisches Handeln obligatorisch. Wir wünschen Dir besten Erfolg, Raphael.“ Viele Privatpersonen haben zehn oder 20 Euro gespendet, einige sogar drei- und vierstellige Beträge. Eine Einzelperson hat sogar 2500 Euro überwiesen. Von Raphaels Schicksal waren aber auch viele Hildener Unternehmen gerührt und haben Kontakt zu ihm aufgenommen. Sie alle zusammen haben Raphael Simson die Therapie in Australien ermöglicht.

Dass er einen Termin bereits in diesem Jahr erhalten hat, ist übrigens keine Selbstverständlichkeit. „Der amerikanische Fernsehsender CBS hat die Therapieform in seiner Sendung ,60 Minutes’ vorgestellt“, erklärt Raphael Simson. Seitdem stehe in Australien das Telefon nicht mehr still und quillt das E-Mail-Postfach über. „Das Therapiezentrum erhält täglich Hunderte Anfragen.“ Da der Hildener aber schon vor der Sendung Kontakt zu „Neurophysics“ aufgenommen hatte, erhält er den Vorzug. Sonst wäre er auf die lange Warteliste gekommen.

Ob er schon von Australien und den Möglichkeiten träumt? „Noch nicht. Ich hoffe momentan eigentlich nur, dass ich im Vorfeld an alles denke“, sagt er. Seinen Reisepass hat er bereits beantragt, jetzt folgt das Visum. Er muss Medikamente nach Australien geliefert bekommen. Das und die Reise mit zwei seiner Assistenten und seiner Mutter, die Physiotherapeutin ist und sich in Australien Anregungen für das weitere Training hier in Hilden holt, wollen organisiert werden. Dazu hat er jetzt neun Monate Zeit.

(tobi)
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