Bauverein Hilden feiert besonderes Jubiläum Seit 100 Jahren bezahlbare Wohnungen
Hilden · Der Hildener Bauverein feiert Geburtstag. Genossenschaften bieten eine wichtige Alternative zu Miet- oder zu Eigentumswohnungen. Sie garantieren ihren Mitgliedern ein lebenslanges Wohnrecht.
Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt“, hat der Zeichner und Fotograf Heinrich Zille gesagt. Ende des 19. Jahrhunderts mussten viele einfache Menschen in den rasch wachsenden Städten in schrecklichen Wohnverhältnissen leben.
Am 1. Mai 1889 verabschiedete der Reichstag das Genossenschaftsgesetz. Es ist mit einigen Ergänzungen bis heute gültig. Hinzu kam das „Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz“ (1. Juni 1889). Beide Gesetze hatten weitreichende Folgen. Das neue Genossenschaftsgesetz ersetzte die unbeschränkte nämlich durch die beschränkte Haftpflicht.
Damit brauchten die Genossenschaftsmitglieder nicht mehr mit ihrem gesamten Vermögen, sondern nur noch mit ihrem Genossenschaftsanteil zu haften. Das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz erlaubte es Versicherungsanstalten, eingezahlten Gelder zum Bau gesunder Wohnungen anzulegen. Beides führte zu einer Blüte von Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland. Ihre Zahl stieg von 38 (1889) auf 1402 im Jahr 1914 rasant an.
Am 16. Juni 1919 wurde der Gemeinnützige Bauverein Hilden eG von 117 Mitgliedern gegründet – als Ableger des „Vereins zur Pflege volksgesundheitlicher Belange“ (dem heutigen Prießnitz-Kneipp-Verein). Dem ersten Vorstand gehörten Robert und Wilhelm Müller, Walter Gronen, Fritz Stuhr und Fritz Köhnen an.
Noch im selben Jahr erwarb die Genossenschaft für 46.000 Mark von der Gemeinnützigen Siedlungsgemeinschaft „Rheinisches Heim“ Bonn ein 104.000 Quadratmeter großes Grundstück in Hilden „Am Strauch“ 1921 gewährte die Stadt Hilden dem Bauverein für den Bau von acht Doppelhäusern ein Darlehen von 500.000 Mark. Ein Jahr später wurde es für den Bau von weiteren 14 Doppelhäusern um zwei Millionen Mark erhöht. Beim Bau packten Mitglieder kräftig mit an. Für ihre 33.000 Arbeitsstunden wurden sie mit besonders günstigen Nutzungsgebühren belohnt.
Ziel des Bauvereins war und ist die bestmögliche Versorgung mit Wohnraum. Menschen mit kleinen Einkommen können sich Wohneigentum häufig nicht leisten. Aber sie können sich zusammentun und gemeinsam Wohnungen bauen. Sie zahlen keine Miete, sondern schließen einen Dauernutzungsvertrag ab. Weil sie Miteigentümer sind. Die Genossenschaft garantiert ihnen ein lebenslanges Wohnrecht – so lange sie sich an die Spielregeln der Genossenschaft halten und keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung geben. Eigenbedarfskündigungen sind in jedem Fall ausgeschlossen.
Ein Bauverein muss auch Gewinne erwirtschaften, um investieren zu können und die Wohnungen in einem guten Zustand zu halten. Er ist aber nicht so profitorientiert wie etwa ein börsennotiertes Wohnungsunternehmen.
Bereits in den ersten 14 Jahren konnte der gemeinnützige Bauverein mit viel Initiative und großem Einsatz im Hildener Süden (An den Linden, Kirschenweg, Kölner Straße, Ohligser Weg) Ein- und Zwei-Familienhäuser mit großen Gärten für die Selbstversorgung errichten. Der Staat förderte die Genossenschaft durch Steuerbefreiung – weil er von ihrer Arbeit auch profitierte.
Die Nationalsozialisten nahmen 1933 Mitglieder des Vorstandes sofort in „Schutzhaft“. Sie waren Gegner des Systems. Der Bauverein wurde von den Nazis übernommen, sprich „gleichgeschaltet“. Deshalb wurden auch während des „Dritten Reichs“ Häuser an der Kölner Straße und am Rosenweg gebaut.
1945 erhielt die Genossenschaft ihre Selbstständigkeit zurück, die erste Mitgliederversammlung nach dem Krieg fand am 14. Oktober 1945 statt. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Bauverein über 152 Wohnungen, die glücklicherweise größtenteils von Kriegsschäden verschont geblieben waren.
Ab 1953 wurde wieder gebaut, unter anderem Mehrfamilienhäuser an der St.-Konrad-Allee. Ab 1970 errichtete die Genossenschaft mit Hilfe öffentlicher Mittel von Bund, Land und Stadt größere Objekte an der Furtwänglerstraße, Erikaweg, Zur Verlach, Am Strauch, An den Linden, Haydn-/Lortzingstraße und Lindenhof. Ende 1992 war der Wohnungsbestand auf 484 Wohnungen angewachsen.
Ende 2018 bewirtschaftet der Bauverein 616 Wohnungen und steht „wirtschaftlich sehr gesund“ da, bestätigt geschäftsführender Vorstand Lars Dedert. Er leitet den Bauverein gemeinsam mit den Vorständen Ludger Born und Maximilian Rech. Die Genossenschaft schreibt zuverlässig schwarze Zahlen. 2017 wurde ein Jahresüberschuss von 312.000 Euro erwirtschaftet. Zugleich investierte der Bauverein 485.000 Euro für Instandhaltung und rund 1,7 Millionen Euro in Modernisierungsmaßnahmen.Zudem wurden die Einlagen der knapp 1000 Mitglieder mit vier Prozent verzinst.
Am Quittenweg zeigt der Bauverein, wie er sich die Zukunft vorstellt. Dort sind im Frühjahr 2017 sieben frei finanzierte Häuser mit 38 Wohnungen bezogen worden. Für sie musste der Bauverein keine Werbung machen: Kein Wunder bei einer Kaltmiete von 8,50 Euro für Neubauwohnungen. Die Nebenkosten sind dank modernem Wärmeschutz und Energiespartechnik (KfW-70-Energieeffizienz-Häuser) sehr niedrig. Alle Wohnungen sind an das Glasfasernetz der Telekom angeschlossen. Die Neubauten (Baukosten rund 7,4 Millionen Euro) fügen sich harmonisch in die umgebenden alten Siedlungshäuser ein. Ein zweiter Bauabschnitt mit fünf bis sechs Häusern ist geplant und soll vom Rosenweg über einen neuen „Apfelweg“ erschlossen werden. Neben einem Quartiersplatz mit hohen schattenspendenden Bäumen sind dort zwei gemeinschaftliche Streuobstwiesen geplant.
„Wir haben bewiesen, dass wir es tatsächlich können“, sagt Lars Dedert: „Seit 100 Jahren versorgen wir unsere Mitglieder mit zeitgemäßen Wohnungen zu fairen Konditionen.“ Das wird mit einem großen Mieterfest (mit rund 600 Gästen) am 13. September auf dem Gelände des Bolzplatzes Karnaper Straße gefeiert.
Christoph Schmidt