Hilden Schwere Zeiten für den Zirkus

Düsseldorf · Der Circus Hansa Wunderland mit 30 Artisten und 70 Tieren hat bis morgen sein Zelt in Hilden aufgeschlagen. Direktor Jonny Neigert führt das Familienunternehmen in vierter Generation mit seinen drei Brüdern.

Johnny Neigert wirft noch einen prüfenden Blick in den Schubkarren mit dem Futter für die Kamele. Der 50-Jährige ist für den Fuhrpark und das Tierfutter im Circus Hansa Wunderland zuständig: "Es gibt keinen Chef. Jeder ist für seinen Bereich verantwortlich." Der Messerwerfer ist einer der vier Neigert-Brüder, die in der vierten Generation den 1885 gegründeten Familiencircus weiterführen. Nach knapp fünf Jahren hat er an diesem Wochenende wieder seine Zelte in Hilden aufgeschlagen. Auf den Grünflächen im Hock kampieren rund 30 Artisten und Helfer sowie 70 Tiere wie Kamele, Pferde, Ziegenböcke oder Lamas. "Ein Circus ohne Tiere ist kein Circus", betont Neigert. Dennoch ist er im Laufe der Zeit oft dazu gezwungen, die Tradition des klassischen Wandercircus zu überdenken: "Popmusik im Circus ist gar nicht mehr wegzudenken." Neigert tut sich schwer mit der modernen Anpassung, weil er "immer noch wie vor 20 Jahren" denke. Aber letztendlich müsse die Vorstellung dem Publikum gefallen: "Der Applaus ist unser tägliches Brot." Dass die wirtschaftliche Situation von Wandercircussen schlecht sei, daraus macht Neigert keinen Hehl: "Es gibt mehr Tiefs als Hochs. Wir leben ständig am Existenzminimum." Eine Schule konnte Johnny Neigert nie regelmäßig besuchen. Umso glücklicher ist er, dass seine vier Söhne die Schule für Circuskinder NRW besuchen und in mobilen Klassenzimmern unterrichtet werden. Einer seiner Söhne hat so seinen Realschulabschluss gemacht und sich damit die Option für einen Berufswechsel freigehalten. Daran möchte Sohn Juliano nicht denken. Der 13-Jährige stand schon mit zwei Jahren in der Manege und kann sich ein anderes Leben nicht vorstellen: "Das ständige Umziehen ist wie Urlaub für mich." Wenn ihm mal auf der Fahrt langweilig ist, stöpselt er sich wie die meisten Kinder in seinem Alter die Kopfhörer seines MP3-Players in die Ohren und hört am liebsten Shakira. Trotzdem spürt der junge Artist oft Hänseleien von Gleichaltrigen, die ihn als Circuskind ausgrenzen. Auf seine Jonglier-Künste ist Juliano dennoch stolz. Auch können viele Kinder nicht von sich behaupten, ein Kamel als Haustier zu besitzen.

Bei der Premiere am Donnerstagabend traten neben den Zweihöckern Pferde und Ziegenböcke mit kleinen Kunststücken in der Manege auf. Hula-Hoop-Tänze, Jonglieren mit sieben Ringen und ein Balanceakt mit acht Stühlen auf dem Kinn faszinierten im Publikum besonders die Kinder. Zusammen mit ihrer Patentante Jutta Wunn (46) besuchte Nina die Vorstellung. "Ich fand das Mädchen mit den Ringen toll", freute sich die Zehnjährige. "Es ist schade, dass so wenige Leute gekommen sind. Mehr Zuspruch wäre für die Mühen der Artisten wünschenswert", so Jutta Wunn.

(RP)
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