Hilden Schritt für Schritt ins normale Schulleben

Hilden · 34 Schüler mit Zuwanderungsgeschichte besuchen derzeit die internationalen Klassen am evangelischen Schulzentrum Hilden. Dort werden sie auf die Regelschule vorbereitet - und das in den meisten Fällen erfolgreich.

 Fatima, Nadin, Rajaa und Bamba (v.l.) besuchen die Internationale Klasse am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium.

Fatima, Nadin, Rajaa und Bamba (v.l.) besuchen die Internationale Klasse am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium.

Foto: Staschik

Der 17-jährige Bamba ist kein Schüler wie jeder andere: "Er wirkt regelrecht traurig, wenn der Unterricht ausfällt", erzählt Udo Kotthaus, Leiter des evangelischen Schulzentrums an der Gerresheimer Straße. Der Schützling widerspricht vorsichtig: Er sei eben ein ruhiger Typ. Recht gibt er Kotthaus aber darin, dass ihm die Schule gut gefalle. Das Bildungsangebot weiß er zu schätzen. Denn in seiner Heimat Gambia in Westafrika hatte er nur drei Jahre lang eine Jesuitenschule besucht, ehe er das bettelarme, bis vor kurzem von Diktator Yahya Jammeh unterjochte und noch immer vom islamistischen Terrorismus bedrohte Land verließ. Allein machte sich der junge Mann auf den Weg Richtung Norden und überquerte schließlich das Mittelmeer. "Seine Eltern sind nicht mehr da", erklärt Udo Kotthaus. Vieles musste Bamba komplett neu lernen. "Er musste alphabetisiert werden", sagt der Leiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums.

Das installierte vor zwei Jahren die internationale Klasse - als eines der ersten Gymnasien im Kreis Mettmann. Flüchtlinge aus den verschiedensten Sprachräumen und mit einer enormen Altersspanne lernen gemeinsam Deutsch, Mathematik und Englisch, haben zudem Kunst-, Sport- und Musikunterricht. "Es ist ein bisschen wie früher an einer Dorfschule", sagt Kotthaus.

Nicht nur für Bamba ist der Unterricht ein Privileg: Die 16-jährige Nadin zum Beispiel lernte nach vier Jahren Grundschule nur noch in den eigenen vier Wänden lesen und schreiben - genau wie ihre Freundinnen in ihrer Heimatstadt Aleppo. "Alle hatten große Angst, zur Schule zu gehen", berichtet die Syrerin, die vor knapp zwei Jahren mit ihrer Familie vor den Bürgerkriegswirren nach Deutschland floh. Die Sprache der neuen Heimat beherrscht sie schon auffällig gut - und das, obwohl die Bedingungen zum häuslichen Lernen nicht gerade optimal waren. Denn in der Sammelunterkunft, in der Nadin und ihre Familie bis vor kurzem lebten, war an Ruhe und Konzentration bei den Hausaufgaben nicht zu denken. Dieses Problem kennt auch ihre gleichaltrige Landsmännin Rajaa aus Damaskus: "Wir haben hier mit sieben Leuten auf einem Zimmer gewohnt", schildert die Jugendliche die Situation nach ihrer Flucht. Auch sie spricht bereits gut Deutsch. "Die Lehrer sagen uns immer, dass wir Schüler auch untereinander auf Deutsch reden sollen", erklärt sie. Der Ehrgeiz der Jugendlichen sei recht unterschiedlich, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Natürlich herrsche in den mittlerweile zwei internationalen Klassen beileibe nicht nur eitel Sonnenschein, betont Udo Kotthaus: Mit dem zum Teil aggressiven Verhalten des ein oder anderen Schülers habe sich bereits die Disziplinarkonferenz befasst, erklärt der Leiter des Schulzentrums. Einigen Jungen müsse man schulische Regeln mit Nachdruck klarmachen. Dazu gehöre auch der Respekt gegenüber einer Frau als Lehrkraft.

Insgesamt ist das Lehrangebot allerdings überaus erfolgreich. Nur wenige Schüler der internationalen Klasse wurden mit einem Hauptschulabschluss entlassen. Die meisten konnten vollständig in die Regelklassen oder die gymnasiale Oberstufe integriert werden. Der Übergang sei dabei fließend: "Nach vier Wochen gucken wir, wie der Stand bei den Schülern ist", sagt Kotthaus. Danach gelangen die Jugendlichen bereits in einzelnen Fächern gemäß ihrer Leistungsstärke in die "normalen" Klassen. "Es kann sein, dass jemand die siebte Klasse in Englisch und die neunte Klasse in Erdkunde besucht - und die übrigen Stunden in der internationalen Klasse verbringt", erklärt Kotthaus.

Dass von dem Unterricht nicht nur die Schüler selbst profitieren können, verdeutlicht Fatima aus Tschetschenien. "Zuhause mache ich gemeinsam mit meinen Eltern die Hausaufgaben." Für ihre Zukunft hat die 14-Jährige, die vor einem Jahr nach Deutschland kam, bereits klare Vorstellungen: "Ich will Abitur machen und später Ärztin werden."

(ried)
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