Haan Schmökerliese und Knobelkopf

Haan · Jungen können besser rechnen, Mädchen besser lesen und schreiben. Das ist eines der Ergebnisse des neuen Leistungsvergleichs an Grundschulen. Aber warum ist das so? Und wie hilft man dem jeweils "schwächeren Geschlecht" auf die Sprünge? Die RP fragte eine Bibliothekarin und einen Meister.

 Weil Jungen gerne herumexperimentieren, entwickeln sie räumliches Verständnis, glaubt der Haaner Elektromeister Rainer Uhl.

Weil Jungen gerne herumexperimentieren, entwickeln sie räumliches Verständnis, glaubt der Haaner Elektromeister Rainer Uhl.

Foto: ola

Jungen lesen schlechter als Mädchen. Das ergab der jüngste deutschlandweite Leistungsvergleich der Grundschulen. Männliche Viertklässler liegen bei Lese- und Schreibfähigkeiten mitunter ein halbes bis dreiviertel Jahr hinter ihren Mitschülerinnen zurück. Doch woran liegt das? Und wie kann man die Jungen zu besseren Lesern und Schreibern machen? Fragen, mit denen sich auch Martina Seuser, Leiterin der Stadtbücherei Langenfeld, beschäftigt.

 Mit geeigneten Identifikationsfiguren lassen sich auch Jungen fürs Lesen begeistern, weiß Martina Seuser von der Stadtbibliothek Langenfeld.

Mit geeigneten Identifikationsfiguren lassen sich auch Jungen fürs Lesen begeistern, weiß Martina Seuser von der Stadtbibliothek Langenfeld.

Foto: rm-

"Jungen tun sich schon beim Lesenlernen häufig schwerer als Mädchen. Wenn hier im Kindesalter viel falsch gemacht wird, kann das zu funktionalem Analphabetismus führen, daher ist die frühe Leseförderung enorm wichtig", weiß die Bibliothekarin. Sie selbst gibt schon den Hebammen das erste Buch mit. "Eltern sollten so früh wie möglich mit dem Vorlesen beginnen, und seien es nur Texte wie 'Guck mal, ein Ball'."

"Lese-Häppchen reichen nicht"

Wenn die Kinder älter werden, sei es besonders wichtig, ihnen den richtigen Lesestoff zu geben. "Jungen müssen unbedingt in Kontakt mit kontinuierlichen Texten kommen, nicht immer nur 'Häppchen'. Ein Bild, ein Satz und eine große Überschrift trägt nicht dazu bei, dass flüssiges Lesen gelernt wird", unterstreicht Seuser. Zumal es auch Fähigkeiten gebe, in denen die Jungen ihren Klassenkameradinnen voraus sind: "Es ist bewiesen, dass Jungen wesentlich besser Informationen aufnehmen und strukturieren können als Mädchen. Hier muss man ansetzen. Wenn sich ein Junge also für ein bestimmtes Thema interessiert, ist es sehr wichtig, ihm das richtige 'Lesefutter' zu geben."

Um einen Jungen zu "ködern", ist also ein interessantes Sachbuch ideal. Auch Bücher, die eine Geschichte mit Informationen verbinden, wie etwa die "Baumhaus-Reihe", eignen sich gut als Lesestoff. Die praktische Veranlagung von Jungen lässt sie gerne etwas machen. Das muss nicht zwangsläufig Fußballspielen sein — auch Bücher, in denen kleine Fälle und Aufgaben gelöst werden, können sie durchaus in den Bann ziehen.

Besondere Schwierigkeiten tauchen nach Seusers Erfahrung nach dem "Rätselbuch-Alter" auf: "In der Grundschule ist der Unterschied im Leseverhalten von Jungen und Mädchen noch nicht so stark ausgeprägt. Besonders ab elf, zwölf Jahren brechen uns die Jungen weg. Das ist schon erschreckend." So haben im Alter bis zehn Jahre 386 Jungen und 465 Mädchen einen Nutzerausweis der Stadtbibliothek — bei gleichen Startbedingungen, denn alle Langenfelder Schüler machen einen Büchereischein. Zwischen 11 und 18 Jahren sind es dann nur noch 616 Jungen gegenüber 1004 Mädchen.

Ein Grund für diesen Einbruch sind, so vermutet Seuser, fehlende Identifikationsfiguren in den Geschichten: "Jungen brauchen das. Deshalb sind Bücher wie 'Harry Potter' auch so erfolgreich, doch gibt es viel zu wenig Bücher mit männlichen Protagonisten." Die Auswahl an Büchern für Mädchen sei wesentlich größer.

Ein weiteres Problem, dass dem Lesen im Weg stehe, sei der Computer. "Die Zeit, in der am Computer gespielt wird, fehlt beim Lesen." Fazit von Martina Seuser: "Jungen müssen anders gefördert werden als Mädchen. Mädchen kommen oft von allein zum Lesen, bei Jungen sollte es eine Mischung aus Motivation und leichtem Druck sein. Ein Buchgeschenk ist deshalb immer gut."

(RP/rl)
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