Haan Politik mit viel Herzblut geleistet

Haan · Udo Carraro beendet zum Jahresende seine kommunalpolitische Arbeit. 21 Jahre leitete der Haaner als Vorsitzender die SPD-Kreistagsfraktion. In ungezählten Sitzungen und Stunden in seinem Arbeitszimmer kümmerte er sich um die Anliegen der Bürger.

 Udo Carraro in seinem Arbeitszimmer. Die Kommunalpolitik war, obwohl ehrenamtlich geleistet, immer ein Vollzeit-Job. Sein Markenzeichen, den "Schnäuzer", ließ sich der Haaner nach seiner Hochzeit, 1973, wachsen.

Udo Carraro in seinem Arbeitszimmer. Die Kommunalpolitik war, obwohl ehrenamtlich geleistet, immer ein Vollzeit-Job. Sein Markenzeichen, den "Schnäuzer", ließ sich der Haaner nach seiner Hochzeit, 1973, wachsen.

Foto: Olaf Staschik

Weit mehr als drei Jahrzehnte hat Udo Carraro das kommunalpolitische Geschehen geprägt. Von 1975 bis 1999 in Haan und seit 1989 ununterbrochen im Kreistag. Dort führte er seit 1990 ununterbrochen als Vorsitzender die SPD-Kreistagsfraktion. Zum Jahresende beendet der Haaner seine politische Arbeit.

"Dann werde ich mir alles nur noch von außen ansehen", sagte Carraro gestern im Gespräch mit der RP. Anfang des Jahres wird die Kreis-SPD ihr prominentes Mitglied bei einer Feier in Haan verabschieden. Und auch Landrat Thomas Hendele plant eine Verabschiedung — am 27. Februar 2012. An diesem Tag wird Udo Carraro 63 Jahre alt.

Die Faszination von der Arbeit des späteren NRW-Minister- und Bundespräsidenten Johannes Rau als Oberbürgermeister in Wuppertal brachte den gebürtigen Haaner 1969 zur SPD. 1974 gehörte seine Frau zu den Begründern der Initiative "Haan muss Haan bleiben", die mit spektakulären Aktionen bewirkte, dass Haan 1975 nicht nach Solingen und Gruiten nicht nach Wuppertal eingemeindet wurde. "Da bin ich hautnah mit Kommunalpolitik konfrontiert worden." Zu den Infoständen pendelte er zum Teil zweimal pro Woche vom Arbeitsplatz Hamburg nach Haan.

Das Mitglied des Awo-Vorstandes in Haan wurde 1975 Mitglied im Jugendwohlfahrtsausschuss. In diese Zeit fiel der Neubau des ersten Awo-Kindergartens in Haan an der Käthe-Kollwitz-Straße. 1978 rückte er für Otto Leupold in den Stadtrat nach. Die Karriere setzte sich fort: vom Ratsmitglied zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. 1984 trat er als Spitzenkandidat der SPD ("Der Bessere") gegen CDU-Bürgermeister Friedhelm Rüffer an.

Auch 1989 und 1994 wurde er nach der Kommunalwahl im Stadtrat auf diesen Posten gewählt. Die Kommunalpolitik lag ihm am Herzen. "Als richtiger Haaner — hier geboren, mit einer Haanerin verheiratet, nie aus Haan rausgekommen — fühlte ich mich bei jedem Problem immer direkt angesprochen!" Er zählte im Kampf um ein Jugendheim zu den Besetzern der Turnhalle Feldstraße. Er widmete Obdachlosen viel Zeit.

Als Außendienstmitarbeiter einer Berufsgenossenschaft war Carraro bundesweit in der Betreuung Schwerstverletzter unterwegs. Tage mit einer Morgenbesprechnung in Bielefeld, einem Mittagstermin in Aachen und einer abendlichen Ratssitzung in Haan waren keine Seltenheit. "Manches Jahr bin ich 100 000 Kilometer mit dem Auto unterwegs gewesen."

1988 schon versprach er seiner Frau Gaby, kürzer treten zu wollen. Wenig später klopfte die Kreispartei an und fragte an, ob Carraro nicht im Kreistag mitarbeiten wollte. "Das sind nur vier Sitzungen im Jahr", habe es geheißen. Bald aber gehörte der Haaner dem Fraktionsvorstand an und wurde 1990 nach Querelen Vorsitzender.

Die Arbeit kostete Kraft. Das machte sich auch bei mancher Sitzung bemerkbar: Einmal verließ Carraro den Haaner Rathaussaal und kehrte später mit einem Tablett Frikadellen für alle zurück. Und im Kreistag kam er mit seinem CDU-Pendant Klaus-Dieter Völker überein, dass jede Minute überschrittener Redezeit (20 Minuten) fünf Euro koste, die für einen guten Zweck gespendet wurden. "Meine längste Haushaltsrede hat mehr als eine Stunde gedauert", schmunzelte Carraro.

1992 wurde Carraro, nach Herzinfarkt und Umstrukturierungen in der Berufsgenossenschaft frühzeitig pensioniert. Seither konnte er seine komplette Zeit der Politik widmen. Die Doppelbelastung Haan und Kreis war aber auf Dauer zu groß: Seit 1999 beschränkte sich Carraro nur noch auf die Kreispolitik, was alleine schon "ein Fulltime-Job" gewesen sei. Auf Kreisebene habe er eines gelernt: "Man kann nur etwas erreichen durch Kompromisse." Die habe er in Verhandlungen mit dem CDU-Kreistagsfraktionschef Klaus-Dieter Völker (Haan) immer wieder gefunden.

"Wir sind viel zu wenig stolz auf den Kreis", der doch ein hervorragendes Berufsschul-Bildungsangebot biete oder flächendeckend Seniorenbegegnungsstätten vorweisen könne. Darauf sei er stolz. Bei der Kreisstraße 20n, die nach 41 Jahren Planung jetzt seit zwei Jahren Umgehung für Gruiten ist, habe er sich oft der lange negativen Fraktionsmeinung beugen müssen.

Was würde Udo Carraro heute anders machen, könnte er noch einmal anfangen? "Nicht mehr auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen." Er sei inzwischen Gegner des Doppelmandates. Zwar habe es manchmal Vorteile, Ratsmitglied und Kreistagsabgeordneter zu sein. Doch diese große Belastung im Ehrenamt könne heute kaum noch jemand tragen.

Warum hört er auf? Schon mit 60 Jahren habe er sich aus der Politik zurückziehen wollen, sich dann aber entschieden, das erst zu tun, wenn er einen guten Nachfolger gefunden habe. Neuer SPD-Kreistags-Fraktionsvorsitzender wird der Langenfelder Rechtsanwalt Manfred Schulte. Das Kreistagsmandat Carraros wird als Nachrücker Wilfried Pohler (Haan) übernehmen.

(RP/rl)
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