Hilden Plastiktüten machen schlechtes Gewissen

Hilden · EU-Kommission denkt über Verbot oder Sonderabgabe nach. Fisch- und Fleischverkäufer sehen hygienische Probleme.

 Einkauf auf dem Hildener Wochenmarkt: Links mit Einkauftasche, rechts mit Plastiktüten. Obst und Gemüse müssten so eigentlich nicht verpackt werden. Viele Kunden wollen das aber, sagen die Marktbeschicker.

Einkauf auf dem Hildener Wochenmarkt: Links mit Einkauftasche, rechts mit Plastiktüten. Obst und Gemüse müssten so eigentlich nicht verpackt werden. Viele Kunden wollen das aber, sagen die Marktbeschicker.

Foto: Olaf Staschik

Laut Deutscher Umwelthilfe gehen in Deutschland 10 000 Plastiktüten pro Minute über die Theke, 5,3 Milliarden Stück pro Jahr. Deshalb fordern die Umweltschützer eine Abgabe, um die Plastikflut einzudämmen. In Irland habe das funktioniert. Als die Plastiktüte 22 Cent extra kostete, ging der Verbrauch von 328 auf 16 Stück pro Kopf der Bevölkerung im Jahr zurück. Solche Pläne verfolgt jetzt auch die EU-Kommission. Sie will den EU-Staaten erlauben, mit nationalen Gesetzen Plastiktüten ganz zu verbieten oder mit Sonderabgaben zu belegen. Was halten Händler und Verbraucher davon? Die RP hat sich gestern auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt umgehört.

Die Mehrheit der Kunden hat Einkaufsbeutel und Taschen dabei. "Ich auch sonst, nur heute nicht", versichert Detlef Recha und blickt beinahe schuldbewusst auf seine zwei dünnen Plastiktüten: "Das war ein Spontankauf." "Ich wollte heute gar nichts einkaufen", erklärt Irmi Buddenberg: "Deshalb hatte ich nicht wie sonst eine Einkaufstasche dabei." Die Plastiktüte mache ihr ein "schlechtes Gewissen": "Ich versuche Plastiktüten wo es geht zu vermeiden." Silyia Schnur hat am Gemüsestand gerade eine dünne Plastiktüte mit ihren Einkäufen entgegengenommen: "Ich habe mich so angeregt unterhalten, dass ich gar nicht mehr an die Einkaufsbeutel in meiner Tasche gedacht habe", gibt die Mutter von zwei kleinen Kindern zu: "Wenn so eine Plastiktüte 20 Cent kostet, würden viele Verbraucher sicher darauf verzichten. Das könnte dazu beitragen, Plastikmüll zu vermeiden."

Vor 15 Jahren wurde der Fisch noch in Zeitungspapier eingewickelt und auf die Theke gelegt, erinnert sich Fischhändler Stefan Tillmanns. Das sei heute nicht mehr möglich — weil das Zeitungspapier mehr färbt. "Die Hygienevorschriften verbieten, dass der Kunde eine Plastikbox mitbringt und uns über die Theke reicht", erklärt der 52-jährige Marktbeschicker. Als alternative Verpackung zu Plastik fällt ihm spontan nur Wachspapier ein: "Wir verkaufen praktisch alles in Plastiktüten, nur ganz wenig Ware ohne." Rund 150 dünne Plastiktüten gingen an einem Vormittag über seine Fischtheke. Viele Kunden fragen extra nach einer (Plastik-)Tüte, berichtet Geflügelhändler Bernhard Möller: "Deshalb packen wir vieles zwei- bis dreimal ein — weil der Kunde König ist." Verpackungen, die Kunden mitbringen (Plastiktüte, Plastikbox, Einkaufstasche) dürfen auch bei ihm wegen der Hygiene nicht hinter die Verkaufstheke gelangen. Und kein Kunde wolle ein frisches Hähnchen oder Suppenhuhn nur in Wachspapier eingepackt im Jutebeutel nach Hause tragen. Die EU hätte gegen die Flut von Plastikverpackungen viel früher vorgehen müssen, findet Gemüsehändler Matthias Plenkers. Aber dabei hätte man anders ansetzen müssen. In den Supermärkten beispielsweise werde viel in Plastik verpackte Ware angeboten. Das sei häufig gar nicht nötig. "Damit sollte sich die EU mal beschäftigen", findet der Marktbeschicker. Plenkers hat noch erlebt, dass Salat auf dem Markt in Zeitungspapier verpackt wurde: "Das würde heute kein Kunde mehr akzeptieren. In den dünnen Plastiktüten bleibt die Ware frisch. Deshalb sind Papiertüten für uns keine Alternative." Kaum ein Kunde verzichte ausdrücklich auf eine Plastiktüte. Ein Extraaufschlag auf Plastiktüten wie im Supermarkt sei auf dem Wochenmarkt "im Moment nicht durchsetzbar", glaubt der Gemüsehändler.

(RP)
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