Serie: "Ich war einmal..." Obdach für Gesellen

Hilden · Das Kolpinghaus an der Kirchhofstraße gehört nicht nur zu den schönsten um die Jahrhundertwende entstandenen Gebäuden. Es ist auch steinerner Zeuge der bewegten Geschichte des karitativen Vereins.

 Das Kolpinghaus Hilden damals, in den 50-er Jahren, und heute: Im Wesentlichen hat sich am Äußeren des denkmalgeschützten Gebäudes nichts geändert. An der Auto-Mode schon, wie der Vergleich zeigt.

Das Kolpinghaus Hilden damals, in den 50-er Jahren, und heute: Im Wesentlichen hat sich am Äußeren des denkmalgeschützten Gebäudes nichts geändert. An der Auto-Mode schon, wie der Vergleich zeigt.

Foto: Stadtrachiv (li.)/Olaf Staschik

Irgendwie schaut man doch immer rüber zur Polizeiwache: angeschnallt? Handy weg? Einfahrt frei? Dabei wäre ein Blick zur anderen Seite, auf die zwar etwas vernachlässigte, aber doch immer noch sehr imposante Fassade des Kolpinghauses lohnender. Rein architektonisch natürlich.

Freundliche und erschwingliche Zimmer für Handwerksgesellen in Innenstadtlage, das war die Idee hinter dem von J. Wilhelm Meyerhoff entworfenen Bau, entstanden aus einer Initiative der karitativen Gesellenvereine des Elberfelder Kaplans Adolph Kolping (1813 bis 1865).

Hospiz und Gaststätte

Im Kurzzeitgedächtnis der Stadt indes ist das Kolpinghaus zuvorderst ein leerstehendes Gastronomieobjekt. 1957 wurden Hospiz und Gaststätte wirtschaftlich voneinander abgetrennt, ein Pächter für das Lokal schien dem Kolping-Verein zweckmäßiger. Wirklich etablieren konnte sich an der Kirchhofstraße aber kein Wirt — wenigstens nicht in jüngerer Vergangenheit.

Kurz vor der Jahrhundertwende — der katholische Verein zählt da rund 80 aktive Mitglieder — werden Hort und Obdach für die Gesellen zur "kostbaren Notwendigkeit". Die ersten Mittel zur Finanzierung eines Gesellenhauses werden beschafft, eine eigens eingesetzte Kommission stellt Rentabilitätserwägungen an und arbeitet detaillierte Pläne aus. Bei der Vergabe werden nur ortsansässige Handwerksmeister berücksichtigt, den Zuschlag erhält schließlich der Maurer Heinrich Staat.

Am 8. April 1908 erfolgt der erste Spatenstich, weniger als ein Jahr später, am 31. Januar 1909 dann die Einweihung durch Monsignore Franz Hubert Schweitzer, den seinerzeitigen Generalpräses der Kolping-Familie.

Heimat, Wohnung, Versammlungsraum, Feier- und Fortbildungsstätte — zu alldem geriet das auf alten Aufnahmen von den nebenstehenden Gebäuden noch nicht so eingeengt wirkende Haus. Und das blieb es — die meiste Zeit wenigstens: Nach dem Ersten Weltkrieg bezogen britische Besatzungstruppen dort Quartier. Beim 75-jährigen Vereinsjubiläum 1934 hieß das Haus dann "Gaststätte zur Traube", um dessen religiös-wohltätigen Hintergrund vor der nationalsozialistischen Staatsmacht zu camouflieren. Eine der zahllosen irrwitzigen Begebenheiten dieser Zeit: 16 Hildener Kolping-Söhne ließen im Zweiten Weltkrieg ihr Leben. Für das Vaterland, wie es in einer Festschrift des Vereins ausdrücklich heißt. Nicht für das Regime.

Kinderkrankenhaus in Uganda

Die Zeit nach 1945 war von der schrittweisen Renovierung und Modernisierung der Räumlichkeiten geprägt. Kaplan Heinrich Zumbé, der neue Präses des Vereins, prägte das Gesicht der Kolping-Familie in der Nachkriegszeit aber nicht nur dadurch. In Buluba/Uganda gibt es ein Lepra-Kinderkrankenhaus namens "Hilden" und im Sauerland, in einer alten Jagdhütte, das Familien-Ferienheim Elleringhausen. "Tätige Liebe heilt alle Wunden. Bloße Worte mehren nur den Schmerz", lautet ein Ausspruch Adolph Kolpings. Darüber lässt sich gut nachsinnen. An der roten Ampel vor der Polizei, mit Blick auf Meyerhoffs feingliedrige Fassade.

Die Serie entstand in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv.

(maxl)
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