Hilden „Die Isetta geistert noch durch meine Träume“
Hilden · Es gibt Dinge, die man/frau nie vergisst: den ersten Kuss, das erste selbst verdiente Geld oder das allererste Auto. Bei Autor Claus Meissner (80) aus Hilden war das eine BMW Isetta.
Als Studierender der Werkkunstschule Düsseldorf verdiente ich in einigen Semesterferien Geld als Hilfsarbeiter auf dem Bau, als Schaffner bei der Rheinbahn oder als Meßgehilfe beim Landschaftsverband Rheinland und kaufte mir im Jahre 1964 mein erstes Auto – eine BMW Isetta für 500 DM, gebraucht!
Was scherte mich nun als 23-jähriger, stolzer „Selfmademan“ das Gespött meiner Mitmenschen über mein Gefährt. „Knutschkugel, fahrbares Klo oder Adventsauto (macht hoch die Tür)“ solche und noch andere Sprüche prallten an mir ab, wenn ich meine 1,91 Meter Körperlänge grazil zusammenfaltete und rückwärts, nachdem ich die Fronttür des Autos geöffnet hatte, auf die Zweiersitzbank sank.
Das Schalthebelchen befand sich an der linken Fahrerseite und die vier Gänge des 13 PS starken Viertakters ließen sich nur mit Zwischengas beim Rauf-oder Runterschalten geräuschlos einlegen. Gelang dies nicht auf Anhieb,so knirschte das Getriebe vernehmlich laut. Die Knautschzone bestand aus meinen Knien, die unmittelbar hinter der dünnen Blechwand der Fronttür postiert waren.
Oft fuhr ich in die Düsseldorfer Altstadt, um mit meinen Freunden „einen Zug durch die Gemeinde“ zu machen. Das Auto hatte ich in einer der engen Altstädter Einbahnstraßen vorher ordnungsgemäß geparkt (das ging zur damaligen Zeit noch). Bei meiner Rückkehr stellte ich manchmal fest, dass die Isetta anders stand als vorher. Einige „Scherzkekse“ hatten in meiner Abwesenheit das Auto angehoben und um 180 Grad gedreht. Nicht nur das - ein übereifriger Streifenpolizist hatte mir auch noch ein Knöllchen wegen „Falschparkens“ verpaßt! Hundsgemein war es allerdings, wenn die Unholde das Auto so dicht vor eine Mauer setzten, daß die Fronttür blockiert war und ich fremder Hilfe bedurfte um in mein Gefährt zu gelangen.
Zwei kleine Schiebfensterchen konnte man einen Spalt öffnen. Bei stärkerem Lüftungsbedarf war es möglich auch das Faltdeck aufzuschieben. Oft reichte auch dies nicht, da mein Boxerhund Bodo, der meist in Schulterhöhe hinter mir auf der Ablage lag. Ein Hund, zuvor im Rhein geschwommen, stinkt anschließend fürchterlich aus seinem Fell, von anderen Gerüchen gar nicht zu reden. Da half nur eines - rechts ran, Fronttür auf und.
Wenn man aus Versehen mit den kleinen Vorderrädern in die Gleisspur der Straßenbahn geriet, hätte man getrost das Lenkrad loslassen können und das Auto wäre von ganz allein gefahren. Ach, wie habe ich das genossen: an der Tankstelle vorzufahren und zum Tankwart (es gab keine Selbstbedienung) leicht blasiert zu ordern:“ Bitte Volltanken!“ Der Tank fasste maximal 13 Liter Normalbenzin, pro Liter 0,60DM, macht 7,80DM, Verbrauch 3,7 Liter auf 100km. „Acht DM, stimmt schon!“
Die Isetta war der ideale Stadtwagen: klein,wendig und günstig im Verbrauch. Auch konnte man sich bei Parknot schon mal quer in eine Lücke quetschen. War der Wagen auch nur für zwei Personen zugelassen, so kamen doch schon mal vier Personen (je ein Mädel auf dem Schoß) plus Hund zusammen. Das Fahren auf den Fernstraßen, insbesondere Autobahnen, war hingegen nicht so vergnüglich. Bei 85km/h war Schluss. Auf Steigungen wurden auch nur 50 oder auch nur 40km/h erreicht. Ich sah den LKW im Rückspiegel näher und näher kommen manchmal blendete er auch kurz auf. „Hoffentlich sieht er mich“,dachte ich und wenn er dann dicht hinter mir war, hätte ich im Auto Zeitung lesen können, so hell war es auf einmal. Dafür konnte ich aber nicht mehr durch die Windschutzscheibe nach vorne sehen. Überholte der Lastwagen endlich, schaute ich ängstlich nach links, sah die Räder vorbeirauschen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel: „Herr, lass ihn jetzt nicht zu früh einscheren!“
Bei Regen oder Schneematsch dauerte der Blindflug noch länger, zumal das winzige Scheibenwischerchen oft an seine Grenzen kam. Manchmal gefror auch das Wasser auf der Windschutzscheibe und ich öffnete das Seitenfenster einen Spalt und versuchte mit der linken Hand per Eiskratzer einen Sehschlitz frei zu schaben.
Trotz all dieser Schwierigkeiten bin ich mit diesem Gefährt nach Flensburg, München und Berlin gefahren: in Düsseldorf am Morgen um 6 Uhr losgefahren,in München am Abend um 20 angekommen. Typische Frage eines Ostberliner Grenzers: „ Machen se mal die Motorhaube auf! Was isn im Kofferraum?“ Die kleine Klappe an der Seite als Motorhaube zu bezeichnen machte mich stolz, beim Kofferraum musste ich leider passen: Da war keiner! Erst viel später habe ich erfahren, daß tatsächlich Menschen mit der Isetta aus der DDR herausgeschmuggelt wurden. Wie das technisch bewerkstelligt wurde, ist mir noch heute ein Rätsel. BMW verkaufte von 1955 bis 1962 weltweit 161.728 Isetten. 1965 verließ mich mein Gefährt in München für immer, mit einem Kolbenfresser . An einen Bastler konnte ich es noch für 100 DM verkaufen. Doch noch heute geistert die Isetta manchmal durch meine Träume:Bye bye my love!