RP-Serie Glaubensgemeinschaften (2) Neue Offenheit zieht in die Kirche ein

Hilden · 19.200 Hildener sind katholisch. Nur ein Bruchteil von ihnen nimmt aktiv am Gemeindeleben teil. Und doch: Es tut sich etwas Besonderes.

 Auf der einen Seite diejenigen, die die Kirche im Dorf lassen wollen. Auf der anderen die, die ihre Heimat im Handgepäck haben: ein Spagat für Ulrich Hennes. Unser Bild zeigt ihn an einem zentralen Ort: vor dem Beichtstuhl

Auf der einen Seite diejenigen, die die Kirche im Dorf lassen wollen. Auf der anderen die, die ihre Heimat im Handgepäck haben: ein Spagat für Ulrich Hennes. Unser Bild zeigt ihn an einem zentralen Ort: vor dem Beichtstuhl

Foto: Staschik, Olaf (OLA)

Der rheinische Katholizismus ist ein besonderer. Mit lebensbejahender Toleranz bewegen sich die Gläubigen im Dreieck von Sünde, Beichte und Vergebung. Der langjährige Bischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, erschien da oft wie ein gestrenger Zuchtmeister gegen allzu viel Laissez-faire. Nun sitzt ein neuer auf dem Bischofsstuhl, Rainer Maria Woelki. Er kam vor einer Woche zu seinem Antrittsbesuch ins Kreisdekanat Mettmann. In der gotischen St. Jacobus-Kirche an der Mittelstraße feierte er einen Gottesdienst und führte im Anschluss viele Gespräche mit Katholiken aus dem Kreisgebiet.

Und schon die Vorbereitungen fühlten sich für Monsignore Ulrich Hennes anders an als in den Jahren zuvor. Einst habe man den Ablauf und die Predigt beim Kölner Bistum zur Genehmigung vorgelegt; heute lediglich zur Information geschickt. Plötzlich ist das mehr Weite, mehr Offenheit.

Dieses Momentum möchte Pfarrer Hennes nutzen. Denn noch ist der Schwund an Zugehörigkeit auch in der Katholischen Pfarrgemeinde von Hilden eines der drängendsten Probleme. Wenn überall von rund 20 000 Hildener Katholiken die Rede ist, dann wurde eher rheinisch als kaufmännisch gerundet. Der Pfarrgemeinderat geht derzeit von 19 200 Menschen katholischen Glaubens aus. Und nur ein Bruchteil von ihnen nimmt aktiv am Gemeindeleben teil.

Mehr Weite, mehr Offenheit würde die katholische Kirche attraktiver machen für Menschen auf Sinnsuche. "Moderne Lebensumstände sind anders. Viele Menschen kommen für zwei, drei Jahre an einen Ort und ziehen dann weiter." Ihnen möchte Hennes einen Raum aufspannen für Besinnung: "Das neue Gemeindehaus, das wir jetzt bauen, ist da exemplarisch: Nicht mehr wie früher versteckt hinter der Kirche, sondern geöffnet zur Mittelstraße, zur Einkaufszone hin." Dorthin, wo die Menschen sind. Dass viele von ihnen nur an hohen Feiertagen zur Taufe, Trauung und Beerdigung in die Kirche kommen, mag Hennes nicht als unverbindlichen "Glauben to go" verurteilen: "An wichtigen Eckpunkten des Lebens kommen die Menschen eben zu uns. Darauf können wir doch aufbauen."

Zusammen mit dem Pastoralteam hat der Pfarrgemeinderat eine Phase der "geistlichen Erneuerung" in der katholischen Gemeinde von Hilden ausgerufen. Seit dem 1. Dezember und noch bis Ostern 2016 sind alle Gemeindemitglieder eingeladen, den "Atemlos-Effekt" zu bekämpfen, innezuhalten und sich auf den Kern des Glaubens zu besinnen. Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Peter Groß, sagt: "Wir bieten viel an, wenn man mal unsere Programme nebeneinander legt. Doch was davon ist wirklich wichtig?" Aha, eine Inventur also. Peter Groß verneint: "Wir wollen niemanden ausschließen, wir wollen keinem etwas wegnehmen. Deshalb finde ich den Begriff von der 'Inventur' falsch." Es gehe vielmehr darum, dass sich jeder bewusst macht, welchen Beitrag er mit seinem Angebot zum Großen und Ganze leiste. Es gehe um mehr Spiritualität.

Diesen Gedanken nun in der Großgemeinde zu verbreiten, wird eine Herausforderung werden. Vor fünf Jahren sind die bis dahin völlig selbstständigen Gemeinden St. Jacobus, St. Konrad und St. Marien fusioniert worden. Auch das ist keine Hildener Besonderheit, sondern katholische Praxis auf dem Weg zu schlankeren Strukturen und weniger Kosten. "Dabei dürfen wir die nicht abkoppeln, die sich die Gemeinde so wünschen wie vor 25 Jahren", warnt Pfarrer Hennes. Ihnen wäre es am liebsten, die Kirche würde im Dorf bleiben. Auf der anderen Seite sind all jene, vor allem auch jüngere, die "Heimat" bei jedem Standortwechsel im Handgepäck mitnehmen. Ein Spagat.

Als künftige Aufgaben für die katholische Kirche in Hilden definieren Hennes und Groß die Arbeit mit der wachsenden Zahl von Senioren in der Stadt. Gleichzeitig müsse man das Angebot für Kinder und Jugendliche anpassen und modernisieren. Denn die haben mittlerweile bis in den Nachmittag hinein Schulunterricht und im Anschluss die Auswahl unter vielen Veranstaltungen. Groß: "Sie müssen nicht notwendigerweise zur katholischen Kirche kommen. Sondern sie kommen nur, wenn unser Angebot überzeugt."

(dne)
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