Hilden Mai-Kundgebung fällt erstmals aus

Hilden · Das hat es seit Gründung des DGB 1949 noch nie gegeben, sagt der Gewerkschaftsbund. Grund ist die Corona-Krise. Der Kampf um den „Tag der Arbeit“ hat eine lange und blutige Geschichte – auch in Hilden.

 1904 wurde das Hildener Gewerkschaftskartell gegründet. Im Bild eine Textilarbeiterin bei Spindler.

1904 wurde das Hildener Gewerkschaftskartell gegründet. Im Bild eine Textilarbeiterin bei Spindler.

Foto: Stadtarchiv Hilden

Wir kennen den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag. Viele Jahre war er jedoch ein Kampftag der internationalen Gewerkschaftsbewegung. 1886 begann in den USA am 1. Mai ein mehrtägiger Generalstreik. Ziel: der Achtstundentag. In Chicago schoss die Polizei in die Menge. Zahlreiche Menschen starben. An dieses Blutbad erinnerten am 1. Mai 1890 Hunderttausende beim ersten „Tag der Arbeit“.

Auch in Hilden hatten es die Vorkämpfer der Arbeiterbewegung schwer. Der Historiker Christoph Roolf hat ihre Geschichte für die SPD Hilden erforscht. 1863 gründete sie die Hildener „Gemeinde“ des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). „Ich habe die Auffassung, daß die hiesige Bevölkerung noch nicht von dem Gifte der Sozialdemokratie angefressen zu sein scheint“, berichtete Bürgermeister Wachtel am 18. Juni 1878 an den Düsseldorfer Landrat. Das blieb noch viele Jahrzehnte so. Die erste Gewerkschaft, die nach dem Sozialistengesetz wieder erstand, war 1894 der „Deutsche Metallarbeiter-Verband“. Nur zwei Monate später folgte der „Verband aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands“. Sein Bevollmächtigter, Wilhelm Haukamp, meldete den Verband am 28. März 1894 beim Bürgermeister an. Beide Verbände tagten im Lokal Klees.

 Kampf für die Fünf-Tage-Woche: DGB-Plakat von 1956.

Kampf für die Fünf-Tage-Woche: DGB-Plakat von 1956.

Foto: DGB

Die Hildener Obrigkeit verstand es viele Jahre, die Wirte so unter Druck zu setzen, dass kaum einer bereit war, Sozialdemokraten oder Gewerkschaften ein Versammlungslokal zu geben. Pfarrer prangerten auf der Kanzel Wirte an, die ihre Lokale Sozialdemokraten zur Verfügung stellten. Selbst Feste mussten die Arbeiter auswärts feiern. „Wer den Arbeiterorganisationen das Versammlungslokal entzog, konnte sie empfindlich treffen“, stellt Historiker Christoph Roolf fest. Für einige Zeit konnten sich die Arbeiter bei H. Lohausen an der Heiligenstraße treffen. Dort sollte auch die erste Maikundgebung stattfinden. Wilhelm Haukamp meldete sie an – prompt wurde sie verboten.

Daraufhin besuchten Arbeiter Versammlungen von gegnerischen Parteien – und versuchten sich dort Gehör zu verschaffen. 1895 sprengten sie auf diese Weise eine Kundgebung der Antisemitische Partei Düsseldorf in Hilden. Die Versammlung musste aufgelöst werden, meldete der Bürgermeister, „weil die Sozialdemokraten sich in der Diskussion zu Wort meldeten und Äußerungen taten, die ein polizeiliches Einschreiten nötig machten“.

Bei den Reichstagswahlen 1903 erhielt der Kandidat der SPD, Hermann Springe, 867 Stimmen und überrundete damit die  katholische Zentrumspartei. Roolf: „Hilden bekam seinen Ruf als „rote Hochburg“. 1904 schlossen sich verschiedene Verbände zum „Hildener Gewerkschaftskartell“ zusammen.

1910 gelang den Hildener Sozialdemokraten ihr bis dahin größter Sieg. Der Maurer Ernst Hannemann und der Metallarbeiter Ernst Peekhaus zogen ins Stadtparlament ein. Die Ratsmehrheit verweigerte jede Zusammenarbeit mit ihnen.

In der Weimarer Republik hatte es die freien Gewerkschaften schwer, die Arbeiter zu organisierten – vor allem nach Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929. In der Zeit der Nazi-Diktatur wurden sie ebenso wie die Sozialdemokraten verfolgt.

Zu Feiern am 1. Mai gab es erst wieder etwas ab 1949. Die Gewerkschaften haben die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Mitbestimmung und die 40-Stunden-Woche erkämpft – und damit erheblich zur sozialen Marktwirtschaft und dem deutschen „Wirtschaftswunder“ beigetragen.

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