Prävention im Kreis Mettmann Die unsichtbare Gefahr im Glas feiert mit
Hilden/Haan · Vor allem Frauen werden beim Feiern Opfer von K.O.-Tropfen. Sie machen willenlos, zum Teil bewusstlos. Die Substanz ist aber nur kurze Zeit im Körper nachweisbar. Die offiziellen Fallzahlen in unserer Region sind zwar gering, doch es ist ein wichtiges Thema.
Ausgelassen und unbesorgt feiert Martina in der Kneipe bei einem Konzert mit Freunden, mit Menschen, die sie kennt. Schon oft war die Anfang 30-Jährige in der Kneipe, die Umgebung ist also nicht fremd. Martina fühlt sich wohl, ist unbeschwert. Doch auf einmal ist ihr schwindlig, wird ihr schlecht. Sie geht raus, um frische Luft zu schnappen, und merkt, etwas stimmt nicht, ist anders als sonst. Als Martinas Freundin merkt, dass sie verschwunden ist, geht sie sie draußen suchen und findet sie auch. Martina ist allerdings in keinem guten Zustand. Hat sie eben noch gefeiert, muss sie sich jetzt übergeben, ist nicht klar ansprechbar. Ihre Freundin bringt sie deshalb nach Hause.
Als Martina am nächsten Morgen bei sich zu Hause aufwacht, fühlt sie sich nicht gut. Ihr ist schlecht, sie hat tierische Kopfschmerzen und Erinnerungslücken. Daran ist aber nicht zu viel Alkohol Schuld, sondern K.O.-Tropfen, die ihr jemand am Abend in ihr Getränk gegeben hat. Dieses hatte sie sorglos abgestellt, als sie zur Musik auf die Tanzfläche tanzen gegangen ist. Sie kannte ja viele Leute und die Kneipe. Martinas Glück war es jedoch, dass ihre Freundin so achtsam war. Denn ihren Zustand der Willenlosigkeit hätte jemand anderes leichtfertig ausnutzen können, um sie zum Beispiel sexuell zu missbrauchen oder auszurauben.
Das ist kein erfundener Fall, sondern ist tatsächlich einer Frau so passiert, wie Eva-Maria Düring vom SKFM Mettmann erklärt. Sie ist Bereichsleiterin „Frauen und Familie“, zu dem auch die Frauenberatungsstelle gehört. Dort finden Frauen, die Opfer von K.O.-Tropfen geworden sind, Hilfe und Rat. Martina hatte Glück, dass ihr nichts Schlimmeres passiert ist. Oft gehen die Fälle nämlich anders aus, erfahren die Frauen sexuelle Übergriffe, Gewalt, an die sie sich aber nur schemenhaft erinnern können. „Nicht zu wissen, was passiert ist, ist für viele Frauen das Schlimmste“, sagt Düring. Die Experten der Beratungsstelle helfen den Betroffenen bei der Bewältigung des Vorfalls.
Die unsichtbare Droge ist im Getränk weder sicht-, riech- noch wirklich schmeckbar und deshalb auch so gefährlich. In den meisten Fällen sind Frauen die Betroffenen. Fast immer geht es dabei um sexuelle Absichten. Die Kreispolizei Mettmann verzeichnet zwar offiziell keine große Anzahl an Fällen, wie Pressesprecher Daniel Uebber auf RP-Anfrage erklärt. „Es sind nur vereinzelte Fälle. Meistens waren die Frauen in den großen Ballungszentren feiern“, sagt er. Doch die Dunkelziffer ist sehr viel höher, vermutet Eva-Maria Düring. Denn das Problem: Die K.O.-Tropfen sind nur kurze Zeit im Körper nachweisbar. Die Substanz wird schnell wieder abgebaut. Außerdem, beschreibt Düring ein weiteres Problem, werde nicht immer sofort eine Blutprobe entnommen. Sie rät deshalb immer dazu, auch nur bei dem geringsten Verdacht, dass einem K.O.-Tropfen verabreicht worden sein könnten, eine Urinprobe zum Beispiel in einem leeren Schraubglas aufzubewahren. „Im Urin ist es am nächsten Tag noch nachzuweisen“, so Düring.
Die Expertin verzeichnet zwar schon einen Anstieg der Beratungsfälle zu dem Thema rund um große Veranstaltungen und Feierlichkeiten, beispielsweise bei Volksfesten oder auch rund um die Karnevalstage. Sie führt das aber auch darauf zurück, dass die Gesellschaft durch gezielte Informationskampagnen sensibilisierter für das Thema ist und sich Menschen deshalb auch eher im Zweifelsfall an die Beratungsstelle wenden. Eine positive Entwicklung aus Dürings Sicht. Einige lassen sich auch präventiv beraten, um zu wissen, wie sie sich vor dieser Art Überfall schützen können. „Wir sagen immer: Zusammen starten, zusammen feiern, zusammen nach Hause“, erklärt Düring. Gegenseitig ein Auge aufeinander beim Feiern zu haben, war im geschilderten Fall von Martina ebenfalls das, was Schlimmeres verhindert hat. Von der Freundin am Morgen zu hören, dass sie sie nach Hause gebracht hat, gebe Betroffenen zumindest ein besseres Gefühl trotz Erinnerungslücken.
Den nahenden Höhepunkt der Karnevalssaison nehmen die Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Mettmann zum Anlass, auf das wichtige Thema hinzuweisen. Sie geben Tipps, die vor dieser Art Übergriff schützen. Wichtig ist es, keine Getränke von Fremden anzunehmen, Gläser nicht unbeaufsichtigt abzustellen und keine bereits geöffneten Flaschen anzunehmen. „Schutz vor K.O.-Tropfen bieten wiederverwendbare Kronkorken aus Silikon oder Stopfen (Spikeys), die in den Flaschenhals gedrückt und in die ein Strohhalm hineingesteckt werden kann“, informieren die Gleichstellungsbeauftragten weiter. Ein hundertprozentiger Schutz besteht nicht, die Hilfsmittel erschweren es den Tätern aber.
Wenn der Verdacht besteht, dass Tropfen verabreicht wurden, sollten die Polizei unter 110 und der Rettungsdienst unter 112 gerufen werden. Betroffene sollten umgehend die nächste Notfallambulanz aufsuchen, wenn akute Symptome auftreten. „Verständigen Sie das Personal und lassen Sie Opfer nicht allein oder von fremden Personen nach Hause bringen“, appellieren die Gleichstellungsbeauftragten. In Haan ist erneut das Schutzprogramm „Luisa ist hier“ installiert worden. Die Frage „Ist Luisa hier?“ ist ein Code für Frauen und Mädchen, die sich in einer unangenehmen Situation befinden, aus der sie allein nicht mehr herauskommen.
Weitere Tipps gegen K.O.-Tropfen gibt es auch unter „https://weisser-ring.de/tipps-gegen-k-o-tropfen„