Auf Ein Wort Robert Eiteneuer Jeder hat eine zweite Chance verdient

Hilden · Jeder hat eine zweite Chance verdientSo denken viele Zeitgenossen. So dachten viele Menschen auch in früheren Zeiten. So denke auch ich. Glücklich, wer ohne Umwege, Irrwege und Holzwege (Sackgassen) durch sein Leben ging und geht! Doch das gelingt nicht jedem auf Anhieb.

Auf Ein Wort Robert Eiteneuer: Jeder hat eine zweite Chance verdient
Foto: Tinter Anja

"Jeder hat eine zweite Chance verdient", sagte Martin Schulz, der Kanzlerkandidat und designierte Parteivorsitzende der SPD, am Sonntagabend in der Talkshow "Anne Will". Er meinte zunächst einmal sich selbst. Nachdem sein Jugendtraum, Profifußballer zu werden, zerplatzt war, geriet er in eine tiefe Krise, verfiel dem Alkohol. Doch ihm gelang ein neuer Anfang: Ausbildung, Buchhändler, Bürgermeister, Europa-Abgeordneter, Präsident des europäischen Parlaments. Martin Schulz meinte aber auch die Langzeitarbeitslosen, die Minijobber, die ohne Schulabschluss und viele andere mehr.

"Jeder hat eine zweite Chance verdient". So dachte der Vater, dessen jüngerer Sohn sich mit der Hälfte des Erbteils davongemacht und das Erbe verjubelt und verprasst hatte. Als er reumütig zurückkehrte, machte ihm der Vater keine Vorwürfe. Vorbehaltlos vergab er ihm und setzte ihn wieder als seinen Sohn ein. (vgl. Lukasevangelium, Kap. 15, Verse 11 bis 32)

"Jeder hat eine zweite Chance verdient". So dachte Jesus, als er den Zöllner Zachäus auf dem Maulbeerfeigenbaum entdeckte, sich bei ihm als Gast einlud und mit ihm am Tisch saß. Der Zöllner versprach, denjenigen Menschen, denen er zu viel Zoll abgenommen hatte, es vierfach zurückzuerstatten und die Hälfte seines Vermögens den Armen zu geben. (vgl. Lukasevangelium, Kap. 19, Verse 1 bis 10).

"Jeder hat eine zweite Chance verdient". So dachte Jesus auch, als er der Ehebrecherin begegnete, welche die Pharisäer und die Schriftgelehrten gesetzesgemäß steinigen wollten. Er konfrontierte die Vollstrecker des Gesetzes mit ihrer eigenen Sündhaftigkeit und ihrer eigenen Schuld und entließ die Frau mit dem Auftrag "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" (vgl. Johannesevangelium, Kap. 8, Verse 1 bis 11)

"Jeder hat eine zweite Chance verdient". Das kann ich als jemand, der siebeneinhalb Jahre als Seelsorger in einer Justizvollzugsanstalt gearbeitet hat, sagen, vielleicht auch fordern. Der Strafvollzug dient ganz wesentlich der Resozialisierung, also der Wiedereingliederung des straffällig Gewordenen in die Gesellschaft. So will es zumindest das Strafvollzugsgesetz NRW. Ob unser Strafvollzug diesem Ziel wirklich dient, ob er dieses Ziel erreicht, muss allerdings bezweifelt werden. "Jeder hat eine zweite Chance verdient". Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft sind Wesenszüge des Gottes Jesu Christi, wie das Neue Testament und die Lehre der Kirche belegen. Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft sind christliche Grundhaltungen. Denn im Matthäusevangelium heißt es: "Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden" (Kap 5, Vers 7).

Aber: Vergebung und Barmherzigkeit sind an die Umkehrbereitschaft dessen gebunden, der auf Vergebung und auf die Chance zum Neuanfang hofft, der darum bittet. Der verlorene Sohn kehrt aus eigenem Willen zurück und will dem Vater seine Schuld bekennen. Der Zöllner Zachäus entscheidet sich von sich aus für die Wiedergutmachung. Der Strafgefangene muss seinen Teil dazu beitragen, muss selbst initiativ werden, wenn er die Chance auf einen Neuanfang nutzen möchte. Der Suchtkranke muss von sich aus in die Therapie und die Therapie zu Ende machen, wenn er geheilt werden möchte.

In diesem Sinne gilt: Jeder hat eine zweite Chance verdient, vielleicht auch eine dritte oder vierte.

(RP)
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