IHK-Wirtschaftsforum im Kreis Mettmann Ladenbesitzer müssen schnell reagieren

Hilden/Haan · Die Industrie- und Handelskammer hatte zum 15. Wirtschaftsforum eingeladen, um über die lebendige Innenstadt der Zukunft zu diskutieren.

 Der Denns Biomarktmarkt ist an die Hauptstraße gezogen und soll dort wieder frischen Wind in den Einzelhandel bringen.

Der Denns Biomarktmarkt ist an die Hauptstraße gezogen und soll dort wieder frischen Wind in den Einzelhandel bringen.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Restaurant-Besitzer Johannes Sühs fand beim 15. Wirtschaftsforum der IHK in Mettmann keine befriedigende Antwort auf sein Problem: „Ich kriege einfach kein Personal nach Corona für unser Haus am See“, klagte er. In der Pandemie seien alle Mitarbeiter abgewandert. Dagegen hatten die Experten des Abends kein Rezept. Wohl aber gegen sterbende Innenstädte im Kreis.

Jedes dritte Ladenlokal ein Leerstand. Jeder zweite Gastronom in Konkurs, sodass die wenigen Corona-Überlebenden um ihre Existenz bangen müssen – das muss nicht sein, stellten sie fest. Mit Hilfe von Landesmitteln, flexiblen Vermietern und auch mal ungewöhnlichen Ideen lasse sich einiges machen, so der Tenor des Wirtschaftsforum mit dem Titel „Die Innenstadt der Zukunft – mit gemeinsamem Engagement voran“.

„Erholungstendenzen“ seien bemerkbar, machte Ralf Burmester, Vizepräsident der IHK Düsseldorf, zum Auftakt ein bisschen Mut. „Aber die Rolle des Einzelhandels bröckelt“, bekannte er ehrlich. Ähnlich äußerte sich Dr. Jan Heinisch, Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. „Es wird weiterhin Handel geben, aber weniger als früher“, erklärte er. Und Immobilienmakler Steffen Heuchert stellte klar: „Viele kleine Städte werden in Zukunft keine Fußgängerzone mehr haben.“

Pandemie und zunehmende Digitalisierung haben das Kaufverhalten der Menschen verändert. Landrat Thomas Hendele führte plastisch vor Augen: „Während Corona lag fast alles brach, nur der Online-Handel nicht.“ Die Abkehr vom praktischen Online-Kauf in den eigenen vier Wänden falle offenbar vielen schwer. Es sei denn, neue Strukturen und Angebote locken. Ganz wichtig sei beispielsweise die Präsenz des niedergelassenen Handels im Internet, erklärte Elke Böttcher von der Buchhandlung Bolland & Böttcher in Düsseldorf. Das Internet könne ein Anreiz zum Besuch vor Ort sein.

Geld für die Belebung und Verschönerung der Innenstädte ist offenbar genug da. 100 Millionen Euro hat das Land NRW für den Erhalt seiner Innenstädte nach der Pandemie zur Verfügung gestellt. „Der Bedarf ist groß, auch in den Metropolen“, so Heinisch. Trotzdem lief der Abruf der Mittel eher stotternd an. Denn wer Unterstützung beantragt, muss auch sagen, wie er sie verwendet, und zwar nachhaltig. Personal für Leerstands- und Citymanagement, Mietzuschüsse oder Geld für Ladenumbauten, Digitalisierungshilfen, Begrünung der Städte, Bäume in Kübeln, Zwischennutzungen von Immobilien, damit sie nicht leer stehen, Untervermietungen, temporär ein Kunstwerk irgendwo aufstellen, Kinderbetreuung in der Stadt einrichten, damit die Eltern in Ruhe shoppen können, Pop-Up-Stores, die vorübergehend leere Schaufenster füllen – all das ist möglich.

Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop, die als nachhaltigste Stadt Deutschlands im Bereich Klimaschutz und Wirtschaft gilt, erklärte, wo es beim Wandel hakt: „Die Städte sind es nicht gewohnt, flexibel und schnell zu agieren.“ Damit meint er die Verwaltungen. Oft dauerten Umnutzungen von Räumen viel zu lang. Tischler, Oberhaupt von 120.000 Einwohnern, erklärte, was seine Innenstadt attraktiv macht und wie sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum CentrO in Oberhausen behauptet: „Vom veganen Supermarkt über den kleinen Handwerker bis zu einer Mini-Hochschule-Filiale haben wir alles da“, sagte er. Ein Unverpackt-Laden mit Café oder Handwerker mit Ausstellungsraum, die darüber noch wohnen könnten, sorgten für Leben.

„Wir suchen Menschen, die kreativ sind, und Vermieter, die auch mal ein Wagnis eingehen“, erklärte Tischler weiter. „Das ist ein kleinteiliger Kampf. Der finanzielle Schmerz beim Immobilienbesitzer muss erst richtig groß sein, ehe er sich bewegt“, ergänzte Heuchert. Heinisch pflichtete bei: „Da muss man oft bei den Vermietern dicke Bretter bohren, bis diese verstehen, dass leere Immobilien schlimm für das Stadtbild sind, aber auch für sie selbst.“ Meist seien die Immobilienbesitzer jedoch keine Profis. „Nach drei Pleiten haben sie die Nase voll“, so Heinisch. Ganz wichtig sei das gemeinsame Gespräch von Stadt, Vermietern und Interessenten. „Es klappen mehr Sachen als schiefgehen“, machte er Mut.

Klar wurde an dem Abend auch, dass das Auto nicht aus der Innenstadt verbannt werden darf. „Alle Verkehrsteilnehmer müssen Platz haben“, sagte Heinisch. „Bei dem hohen Altersdurchschnitt im Kreis können Sie nicht erwarten, dass ein alter Mensch noch mit dem Lastenrad einkaufen fährt.“

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