Hilden Ideenreiche Kunstwerke zum Ertasten

Hilden · Junge Bewohner der Graf-Recke-Stiftung stellen ihre Bilder im Hildener Bürgerhaus aus. Sie richten sich auch an Blinde.

In ihr Bild ist die 21-jährige Canzu richtig verliebt. Vor weißen Häusern mit roten Dächern stehen drei Figuren, die aus Filz, Sicherheitsnadeln und Knöpfen auf die Leinwand geklebt wurden. Vor den Häusern hat sie blaues Wasser gemalt und Sand aufgeklebt. "Die da oben links aus dem Fenster schaut, das bin ich", sagt sie stolz. Vom 7. bis 10. September ist ihr Werk in der Ausstellung "Fühlen, spüren, erleben — Bilder erzählen" im Hildener Bürgerhaus zu sehen, die die Graf-Recke-Stiftung zusammen mit dem Hildener Behindertenbeirat organisiert.

"Das Bild zeigt Amsterdam", erklärt Canzu. "Die drei Leute davor sind meine Betreuer." Die 21-Jährige aus Krefeld lebt in einer Außenwohngruppe der Graf-Recke-Stiftung an der Hildener Mozartstraße. Dort werden junge Leute, die Unterstützung bei ihrer geistigen, sozialen oder emotionalen Entwicklung benötigen, an ein selbstständiges Leben herangeführt.

Genauso in der neuen Außenwohngruppe in Ratingen. "Wir sind dieses Jahr dorthin umgezogen", berichtet Erzieher Frank Pöll. "Deshalb widmet sich ein Gemeinschaftskunstwerk dem Thema Umzug und Abschied nehmen." Denn die Jugendlichen fühlten sich in ihrer neuen Umgebung zwar sehr wohl. "Aber sie haben auch Freundschaften zurückgelassen." Ihre Gefühle haben sie auf Band gesprochen — genauer gesagt: auf einen MP3-Player. Besucher der Ausstellung können sich die Erzählungen beim Betrachten des Bildes anhören. Auch zu anderen Werken gibt es aufgesprochene Erläuterungen.

Alexander lebt in einer Wohngruppe auf dem Campus der Graf-Recke-Stiftung an der Horster Allee in Hilden. Der 14-Jährige ist ein großer Fußballfan. Und so hat er auf seinem Bild die Vereinswappen von Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf gemalt. "Das sind meine beiden Lieblingsvereine", erklärt er. "Ich habe ihm gesagt, er könne ja noch ein Bild mit Schalke malen", berichtet Heilpädagogin Regina Kippel schmunzelnd. Noch jetzt ist Alexander empört. "Das geht ja gar nicht!", ruft er. Statt dessen hat er die Autobahn A 57 auf einem weiteren Werk verewigt und bunte Autos auf eine blau-graue Leinwand geklebt. "Kamp-Lintfort" ist darauf zu lesen. "Da fährt mein Vater immer entlang." Der 14-jährige Stephan dagegen interessiert sich sehr für Technik. So hat er einen ausrangierten Anrufbeantworter auseinandergebaut und die Festplatte sowie den Lautsprecher auf eine graue Fläche geklebt.

Aus dem gesamten Großraum Düsseldorf kommen die Acht- bis 21-Jährigen, die bei der Graf-Recke-Stiftung leben. Bewohner aus vier Gruppen haben in den vergangenen Monaten Bilder für die Ausstellung gefertigt. "Das ist für sie etwas ganz Besonderes", weiß Regina Kippel. "Die Kinder und Jugendlichen arbeiten richtig darauf hin und freuen sich schon sehr." Einige der jungen Künstler werden am Freitag und Samstag auch im Bürgerhaus sein.

Für Blinde und Sehbehinderte gibt es am Samstag erstmals eigene Führungen. "Dieses Jahr sind die Bilder plastisch", sagt Wolfram Marold vom Blinden- und Sehbehindertenverein für den Kreis Mettmann. "Das ist ein tolles Entgegenkommen von der Arbeitsgruppe." So hätten auch Menschen, die nichts oder nur wenig sehen, etwas von der Ausstellung. Die Werke stehen übrigens zum Verkauf. Mit dem Erlös werden die Materialien für die nächste Ausstellung finanziert. "Mein Amsterdam-Bild möchte ich aber behalten", sagt Canzu.

(RP)
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