Horst Thiele "Ich musste ganz schön was wegstecken"

Hilden · Hildens Bürgermeister geht am 23. Juni in den Ruhestand. Im Rückblick spricht er von bewegten Jahren an der Stadtspitze.

 Kann sich vorstellen, in Metropolen zu wohnen: "Bloß nicht plattes Land", sagt Horst Thiele.

Kann sich vorstellen, in Metropolen zu wohnen: "Bloß nicht plattes Land", sagt Horst Thiele.

Foto: Staschik, Olaf (OLA)

Hilden 45 Jahre lang hat Horst Thiele in der Hildener Verwaltung gearbeitet - zunächst als Verwaltungslehrling, später als Dezernent und zuletzt als hauptamtlicher Bürgermeister. In einem Monat hat der 62-jährige Sozialdemokrat seinen letzten Arbeitstag.

Herr Thiele, Sie sind das Urgestein der Verwaltung. Werden Sie nichts vermissen nach dem 23. Juni?

Thiele Ich glaube nicht. Meine Frau und ich haben viele private Pläne. So sind wir im Juli zur Taufe unseres Enkels in Mazedonien, weitere Reisen stehen an. Ich möchte mich bis 2016 herausziehen und werde auch erst dann für mögliche Ehrenämter zur Verfügung stehen.

Gibt es dazu Anfragen?

Thiele Ja, sehr viele.

Sie ziehen sich heraus, aber Ihre Frau Elke kandidiert erneut für den Kreistag und wird wohl wieder für die SPD einziehen. Widerspricht das nicht Ihren Plänen?

Thiele Nein, die Arbeit im Kreistag macht meiner Frau Spaß und lässt sich mit unseren Vorhaben gut kombinieren, sie ist auch von den Sitzungsterminen her überschaubar.

Können Sie an einem Beispiel erklären, was sich in 45 Jahren an der Arbeit bei der Stadt verändert hat?

Thiele (lacht): Oh ja. Als ich anfing, musste es der Dezernent jedes Mal genehmigen, wenn man eine Fotokopie machen wollte. Üblich waren Abschriften von Schriftstücken. Heute müssen Beamte am besten schon morgens um zehn nach acht 200 Mails beantwortet haben.

Die letzten fünf Jahre waren Sie schließlich im Amt des Bürgermeisters. Was war anders als in den 40 Jahren zuvor?

Thiele Als Bürgermeister wurde ich heftig attackiert. Gerade in der ersten Zeit musste ich ganz schön was wegstecken, es ging oft unter die Gürtellinie. Das war manchmal hart, man muss lernen, mit persönlichen Angriffen professionell umzugehen.

Wie geht das?

Thiele Ich habe mich zum Beispiel stets gefragt, ob an Vorwürfen etwas dran ist, manchmal haben auch die Gespräche mit den Töchtern geholfen. Wenn ich mir dann sagen konnte, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe, war das erleichternd.

Was ärgert Sie am aktuellen Wahlkampf?

Thiele Die Aussage von einigen Kandidaten, Wirtschaftsförderung müsse zur Chefsache werden. Sie war immer Chefsache, und die Unternehmer in Hilden wissen das auch. Ich bin manchmal nachts rausgeklingelt worden, weil auf der Stelle Genehmigungen gebraucht wurden. Uns vorzuwerfen, wir wüssten nicht früh genug, wenn ein Gewerbesteuerzahler abwandern will, ist Unsinn. Oft werden solche Entscheidungen anderswo getroffen und erst sehr spät - auch an uns - bekannt gegeben.

Und was freut Sie?

Thiele Dass Hilden gut dasteht und mein Nachfolger damit ein gut bestelltes Feld übernimmt. Unsere Stärke in Hilden ist, dass wir keine Schwäche haben.

Wie bitte?

Thiele Ja, durchaus. Wir investieren gerade zehn Millionen Euro in unsere vielseitige Schullandschaft, haben genügend Kitaplätze, alle Sportanlagen in Schuss und als einzige Stadt im Kreis eigene Altenheime. Zudem beneiden uns viele um unsere unglaublich lebendige Kulturszene. Allein die Chorkonzerte, die Dorothea Haverkamp auf die Beine stellt, wären ein Erfolgskapitel für sich. Praktisch an jedem Abend wird etwas geboten.

Nehmen Sie die Finanzen da aus?

Thiele Nein, gar nicht. Kredite haben wir nur für Investitionen aufgenommen, das sieht anderswo ganz anders aus. Wir haben 40 Millionen Euro auf dem Bürgersparbuch und dürfen auch die Riesenwerte, die der Stadt gehören, nicht vergessen: Zwei Altenheime und die Stadtwerke-Anteile gehören zum Beispiel dazu. Immer nur die Schulden zu sehen, ist nur die halbe Wahrheit.

Welche Erfolge würden Sie für sich in ihrer Bürgermeisterzeit verbuchen?

Thiele Persönlich gar keine, der Bürgermeister ist vor allem Moderator. Ich habe es aber geschafft, den Teamgedanken in der Stadtverwaltung zu verankern. Gemeinsam haben wir in vielen kleinen Schritten Verbesserungen für Hilden erreicht, dazu zähle ich die Übernahme des Kolpinghauses und den Ausbau der Kitas. Auch der Ausbau der Kooperationen mit den anderen Städten ist gelungen.

Als da wären?

Thiele Monheim macht unsere Gehaltsabrechnungen, wir haben für Erkrath die Schul-EDV mitaufgebaut und machen für die Stadt auch den vorbeugenden Brandschutz. Mit Langenfeld verbindet uns die Rechnungsprüfung und mit Haan der Zweckverband Volkshochschule. Der ganze Bereich ist ausbaubar, das ist eine Aufgabe für die neuen Stadträte.

Was ist in "Ihrem" Zeitraum nicht gelungen?

THielE Die Überbauung des Schweitzer-Areals. Die Schule ist seit sechs Jahren geschlossen und ich hatte gehofft, noch als Bürgermeister zu erleben, wie dort neuer Wohnraum entsteht, den Hilden dringend braucht. Es ist sozialpolitisch übrigens richtig, dass die Wohnungsbaugesellschaft einen Teil der Wohnungen vermarktet, damit sie bezahlbar werden.

Sie sind soeben aus Ihrem Haus heraus und in eine Wohnung am Nove-Mesto-Platz umgezogen. Warum?

Thiele Meine Frau und ich sind da ganz vorbildlich: Wir haben unser Reihenhaus an unsere jüngste Tochter weitergegeben und sind ins Zentrum gezogen, wo für uns die Wege kürzer sind. Es ist urbaner.

Wenn Sie anderswo leben müssten als in Hilden, wohin würde es Sie ziehen?

Thiele In eine Metropole auf jeden Fall: Berlin, Bremen, Hamburg oder auch Prag kämen in Frage. Plattes Land eher nicht.

GÖKÇEN STENZEL STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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