Hilden Hoffnung auf feste Stelle stirbt zuletzt

Hilden · Klaus Müller (46) ist seit sechs Jahren arbeitslos. Das Jobcenter ist keine Hilfe, um Arbeit zu finden, so seine Erfahrung.

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Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Im Kreis Mettmann sind rund 9000 Menschen seit mehr als einem Jahr arbeitslos. Klaus Müller (Name geändert), 46 Jahre alt, wurde vor sechs Jahren gekündigt. Seitdem ist der gelernte Kaufmann im Einzelhandel auf Arbeitssuche. Drei Jahre lang bekam er Arbeitslosengeld I ("Ich habe noch von den alten Gesetzen profitiert"), seit drei Jahren ist der Hildener auf Hartz IV.

Müller schreibt mindestens neun qualifizierte Bewerbungen pro Monat, wie es das Jobcenter von ihm verlangt: "Antworten von Arbeitgebern bekommt man nicht mehr. Die kümmern sich nur noch um Leute, die für sie interessant sind." Er gehört offensichtlich nicht dazu. "Es gibt zu viele jüngere Arbeitslose. Die sind preiswerter. Und je länger man arbeitslos ist, um so schwieriger wird es, einen neuen Job zu finden."

Das Jobcenter sei keine Hilfe. "Die verwalten die Arbeitslosigkeit ja nur." Die Arbeitsangebote, die er von seinem Betreuer erhalte, seien dieselben wie die im Internet. "Eine echte Betreuung findet nicht statt." Und die Weiterbildungsmaßnahmen? Arbeiten am PC, Wie bewerbe ich mich richtig, Englisch für Fortgeschrittene, Praktika: Hat Müller alles brav mitgemacht, "nur gebracht hat es nichts". Der 46-Jährige klingt nicht verbittert.

"Ich klage nicht über meine Situation", betont er: "Nur wird es immer schwieriger, aus der Arbeitslosigkeit wieder he rauszukommen." Und was ist mit Zeitarbeit, angeblich einer der Faktoren für das Job-Wunder in Deutschland? Damit kennt sich Klaus Müller aus. Er hat nämlich einige Jahre als Disponent für Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet.

"Zeitarbeiter werden ausgebeutet und beschissen", das ist seine Erfahrung: "In jedem Tarifvertrag gibt es Lücken. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der über Zeitarbeit wieder einen festen Job gefunden hat." Obwohl er keinen gut bezahlten Job hat, steht Klaus Müller seit drei Jahren jeden Morgen um 7 Uhr auf und geht zur Arbeit. Er hilft der Hildener Tafel — zunächst ehrenamtlich, jetzt als Minijobber: "Das ist Arbeit, die Sinn macht. Und ich kann damit etwas Geld verdienen."

Deshalb hat Müller im Monat 500 Euro zur Verfügung, 160 Euro mehr als der übliche Hartz-IV-Satz. Abzüglich Strom (60 Euro), Telefon und Versicherung (je 30 Euro) bleiben ihm 380 Euro im Monat zum Leben. Macht 95 Euro pro Woche oder 13,57 Euro am Tag. Müller kauft bei der Tafel ein, kocht selbst und trägt gebrauchte Kleidung — bis auf Schuhe. Einfach mal spontan Essen gehen, über den Weihnachtsmarkt bummeln oder Geschenke shoppen, ist für Müller nicht drin: "Das Geld reicht gerade zum Überleben, zu mehr nicht." 2009 musste er auf Geheiß des Jobcenters seine alte Wohnung verlassen: "Die war zu groß und um 90 Euro Miete zu teuer." Das Jobcenter zahlte den Umzug und die Grundausstattung für die neue Wohnung (Miete: 370 Euro), insgesamt 2500 Euro.

Welche Perspektive hat Müller nach sechs Jahren Arbeitslosigkeit? "Die Hoffnung auf einen festen Job stirbt zuletzt", sagt der 46-Jährige. "Sicher ist: "Ich werde beruflich keine Karriere mehr machen. Die Zeiten sind vorbei." "Wer einmal langzeitarbeitslos ist, kommt dort nicht mehr heraus", bestätigt Caritas-Bereichsleiter Thoma Rasch.

Mit einer Kampagne weist die katholische Sozialeinrichtung auf den problematischen Umgang mit Langzeitarbeitslosen hin. "Wir brauchen dringend einen Arbeitsmarkt, der diesen Menschen gerecht wird", fordert Rasch. "Mit dem Geld, das derzeit in Leistungen für Langzeitarbeitslose gesteckt wird, könnten unbefristete Arbeitsverhältnisse gefördert werden." Apropos Geld: Beide Träger des Jobcenters ME — Arbeitsagentur und Kreis — hätten entschieden, 2014 zusätzlich 4 Millionen Euro für Personal (dann 24 Millionen) bereitzustellen, bestätigt Geschäftsführerin Martina Würker — auf Kosten der Arbeitsmarktpolitik. Für die stehen dann 14 statt 18 Millionen Euro bereit.

(RP)
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