Hilden Mit 97 Jahren noch flott auf der Aschenbahn

Hilden/Monheim · Bernhard Hußmann läuft trotz seines hohen Alters einmal in der Woche 7,5 Kilometer im Monheimer Jahnstadion. Weder Regen noch Schnee halten ihn ab.

 Bernhard Hußmann läuft mit 97 Jahren regelmäßig auf dem Jahnplatz der SG Monheim.

Bernhard Hußmann läuft mit 97 Jahren regelmäßig auf dem Jahnplatz der SG Monheim.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Das macht ihm niemand nach: Mit 97 Jahren walkt Bernhard Hußmann jeden Sonntag, egal, ob die Sonne scheint, es regnet oder Schnee liegt, seine 7,5 Kilometer auf dem Jahnplatz der SG Monheim. „Vor Corona bin ich sogar zwei- bei dreimal die Woche gelaufen“, sagt der Hildener. Hußmann ist ein erstaunlich agiler schlanker kleiner Herr. Er fährt sicher mit dem Auto vor und steigt behände aus. Die beiden Stöcke sind nicht seine Krücken. Es sind die Walkingstöcke, mit denen er geschickt hantiert.Hußmann hat in 97 Lebensjahren nicht nur Freude erlebt. Er hat den Krieg mitgemacht und war in einem Alter in Russland beim Arbeitsdienst und in Gefangenschaft, in dem junge Menschen sich heute in Clubs und Burger-Läden treffen, fürs Abitur büffeln und auf Rollerblades und Bikes durch Leben flitzen, auch wenn Corona sie über Monate gedämpft hat.

In den letzten Jahren hat Hußmann rund 20 Operationen hinter sich gebracht. Seine linke Gesichtshälfte ist schwer vom Hautkrebs gezeichnet und verpflastert. „Eine plastische OP lehnen die Ärzte in meinem Alter ab“, sagt er. Und er fügt an: „Mit mir ist kein Staat mehr zu machen.“ Doch er ist unverzagt und beweglich wie mancher mit 70 nicht mehr. Unter anderem durch lebenslangen Sport, glaubt er. „Mein Skelett ist völlig in Ordnung“, versichert er. Auf dem Weg zum Arzt hat er sich vor ein paar Jahren einen Fuß gebrochen, „weil ich zu schnell eine Wendeltreppe rauf gelaufen bin“, erzählt er. Aber er ist vollständig genesen.

„Vielleicht“, sagt er, „kann ich Ostern oder das darauf folgende Jahr wieder mit meinen Kindern zum Skilaufen. Obwohl: Manchmal frage ich mich, ob es in meinem Altern nicht vermessen ist, so weit im Voraus zu planen.“ Vor zwei Jahren war der Abfahrtslauf noch seine Disziplin. „Natürlich gemäßigt“, räumt er ein. Dann ist er auf Langlauf umgestiegen.

Sport sei sein Leben, sagt Hußmann. „Eigentlich bin ich Handballer. Früher war ich im Sportverein Pempelfort“, erzählt der Düsseldorfer. Da hat er schon im Kindesalter Sport getrieben. Heute heißt sein Verein dort DJK Agon 08. Stolz zeigt er das T-Shirt mit dem Aufdruck vor.

Viele Jahrzehnte hat der ehemalige Prokurist der Vermögensverwaltung und Treuhandgesellschaft des DGB in Monheim im Musikantenviertel gewohnt. Sein Verein dort war und ist die Sportgemeinschaft Monheim, wo er 30 Jahre lang als Sportwart das Sportabzeichen abgenommen hat. Ihm gehört das Vertrauen des Vereins. Er hat sogar einen eigenen Schlüssel für das Jahnstadion. Dort kann der 97-Jährige Monheimer seine Runden drehen, wann immer er Lust dazu hat.

Doch Bernhard Hußmann ist nicht nur auf den Beinen fit. Er ist auch überdurchschnittlich fit beim Denken. Jedes nur erdenkliche Datum aus seinem fast 100 Jahre langen Leben rasselt er ohne Überlegen runter. An jeden Vermerk in seinem Volksschulzeugnis kann er sich noch erinnern. „Da hat mir der Lehrer im vierten Schuljahr aufgeschrieben, ,er bedarf einer starken Hand, ist aber sehr aufgeschlossen‘“, erzählt er amüsiert. Aufgeschlossen sei er auch heute noch.

„Ja“, sagt er, „früher gingen aus einer Klasse mit 45 Kindern höchstens fünf auf das Gymnasium. Das waren die Söhne und Töchter der Ärzte und Anwälte. Ich war nicht dabei. Ich habe eine kaufmännische Lehre beim Stahlunternehmen Haniel gemacht und habe es auch weit gebracht.“  Heute besitzt er zwei Eigentumswohnungen und ein Haus. „Die Verwaltung mache ich selbst“, sagt er. „Ich habe es nur leider verpasst, den Umgang mit einem Tablet und dem Internet zu lernen. Da muss ich immer meinen Sohn fragen.“

Es scheint, als habe der Mut den kleinen, sehr alten Mann nie verlassen. „Das ist eine Veranlagung“, sagt er. Heute wohnt er mit seiner Frau in der Seniorenresidenz Haus Horst in Hilden. Seine Frau ist 95 Jahre alt. 70 Jahre sind die beiden verheiratet. „Meine Frau hat sich nie gerne bewegt. Sie braucht jetzt den Rollator, wenn sie raus will“, sagt Hußmann. Und auch an den Bewegungsangeboten in Haus Horst habe sie nie teilgenommen, erzählt er. Dafür geht der 97-Jährige noch mindestens zweimal pro Woche zur Gymnastik. „Da bin ich immer der einzige Mann unter vielen Frauen. Männer legen in der Regel nicht so viel Wert auf körperliche Bewegung, glaube ich“, sagt er.

Hußmann genießt jeden Tag, besonders den sonnigen Morgen auf dem Jahnplatz in Monheim, an dem er gemächlich allein seine Runden zieht. Eigentlich hätte er noch gerne das Sportabzeichen gemacht, sagt Thomas Heckrath, Vorsitzender der Leichtathletikabteilung der SG Monheim. Doch in seiner Altersklasse ist das nicht mehr vorgesehen. „Das geht bei uns nur bis 85. Da müsste er denn mit den über zehn Jahre Jüngeren mithalten“, sagt Heckrath. Offenbar hat sich der 97-jährige Bernhard Hußmann das dann auch aus dem Kopf geschlagen. In diesem Alter muss er sich nichts mehr beweisen.

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