Mein Verein „Wir sind irgendwie verkappte Seefahrer“

Hilden · Ohne Mut hätte es den Shanty-Chor Rheingold, eine außergewöhnliche Gesangsgruppe fernab der hohen See, die im übernächsten Jahr ihren 100. Geburtstag feiert, wohl nie geben. Fortschritt und Entschlossenheit sind auch jetzt wieder gefragt. Denn Pandemie und Nachwuchsmangel bedrohen erneut die Chor-Existenz.

 Knapp 80 Shantys haben die 20 Sänger und eine Sängerin des Shanty Chores Rheingold im Repertoire.

Knapp 80 Shantys haben die 20 Sänger und eine Sängerin des Shanty Chores Rheingold im Repertoire.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Kein Meer in Sicht, kein Hafen weit und breit und dennoch gibt es in Hilden einen Shanty-Chor, der Seemannslieder singt, die sich emotional nach dem Leben auf hoher See und der weiten Welt sehnen, zum anderen aber auch nach Heimat rufen. „Wir sind alles irgendwie verkappte Seefahrer“, sagt Georg Rodehüser (68), Vorsitzender des Shanty-Chores, und lacht dabei herzhaft. Einige wenige Mitglieder hätten Verbindungen zur Seefahrt, weil sie vor vielen Jahrzehnten ihren Militärdienst bei der Marine absolvierten, erzählt Rodehüser. Andere, so wie er, würden gerne ihren Urlaub in Norddeutschland verbringen und gerne Shantys singen. „Es ist eine lockere und unterhaltsame Musik, mit der man auch ganze Zelte in Stimmung bringen kann.“

Entwickelt hat sich der Shanty-Chor allerdings aus der Not heraus: Denn „Rheingold“, so erzählt Rodehüser, entstand bereits 1923. Damals schlossen sich die Doppelquartette „Glocke“ und das Soloquartett „Polyhymnia“ aus Mitgliedermangel zusammen. Der Quartettverein, moderner orientiert, erfuhr einen starken Zuwachs an Sängern und entwickelte eine starke Chorgemeinschaft. Auch Rodehüser, der seit nunmehr 36 Jahren als Rheingold-Sänger dabei ist, erlebte diese Zeit mit. Sie gaben viele Konzerte in Hilden und Umgebung und gewannen bei Wertungssingen sogar etliche Hauptpreise.

Der Chor verstummte 1939 und fand durch Initiative von Franz Waldmüller und Unterstützung von Fabrikant Walter Wiederhold seine Stimme wieder – und sang zum Erfolg. „Unser wohl größtes und erfolgreichstes Konzert“, erinnert sich Rodehüser „fand 1988 in Warrington statt.“ Zusammen mit dem „Chor 84“ und dem Männergesangsverein Germania war Rheingold in der Partnerstadt zu Gast. „Besonders beeindruckend war die Tatsache, dass wir als deutsche Chöre die deutsche Nationalhymne auf der Bühne singen durften.“

Doch zur Jahrtausendwende kämpfte der einst so erfolgreiche Chor erneut um seine Existenz. Eine Namensänderung von Quartettverein in Männergesangsverein Anfang der 90er-Jahre, brachte nicht den erhofften Zulauf, sodass Rheingold Anfang 2003 nur noch aus 13 Mitgliedern bestand. Über eine Auflösung wurde diskutiert, doch letztendlich entschieden sich die übrigen Sänger, einen neuen Weg zu gehen und statt traditioneller Chormusik auf Shantys umzusteigen. Seitdem singen die knapp 20 Hildener Herren und eine Dame nach alter Seemannsart. „Es macht einfach Spaß, die Musik macht gute Laune und die Kameradschaft ist uns auch sehr wichtig“, fasst Rodehüser zusammen.

Knapp 80 Shantys haben sie in ihrem Repertoire, darunter auch das Lied „Die Blauen Jungs von Hilden“, eine Hommage an ihrer Heimatstadt und bei jedem Konzert ein Muss. Leider hat die Pandemie dieser Gemeinschaft zugesetzt. Über ein Jahr stand der Chorbetrieb still. „Erst seit August 2021 konnten wir mit unserem Chorleben unter Coronabedingungen wieder starten“, berichtet der Vereinschef. Die Stimme sei in der Zeit ein wenig eingerostet, doch die Freude sei mit der ersten Probe wieder vollends entbrannt. Viele Konzerte konnte der Chor, dessen Altersdurchschnitt bei fast 80 Jahren liegt, nicht geben. Gefreut hatten sich die sangesfreudigen Herren eigentlich auf einen kleinen Auftritt zur Eröffnung des diesjährigen Weihnachtsmarktes, doch auch dieser musste pandemiebedingt erneut kurzfristig abgesagt werden.

Wie es mit dem Chor weitergeht, weiß Rodehüser in Anbetracht der Pandemie, des hohen Altersdurchschnitts und des mangelnden Nachwuchses nicht. Er hofft aber, das anstehende Doppeljubiläum 2023, 100 Jahre Rheingold und 20 Jahre Shanty, noch feiern zu können. „Wir würden uns sehr freuen, wenn sich mehr Herren für uns interessieren und mitsingen wollen würden“, sagt der Vereinschef. Der Tourplan für 2022 wird zuversichtlich ausgearbeitet, in der Hoffnung, dass die Pandemie bald ein Ende, und der Chor neue Mitglieder findet.

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