Sieben Fakten zu Marie Colinet Starke Frau im Schatten ihres berühmten Mannes

Marie Colinet ist nicht nur die Ehefrau des berühmten Chirurgen Wilhelm Fabry. Sie ist zu ihrer Zeit die berühmteste Hebamme der Schweiz und hat als Wundärztin viel zu Fabrys Erfolg beigetragen. Hier sind sieben Fakten, die Sie vielleicht noch nicht kennen.

 Frau ohne Gesicht: So hat die Künstlerin Razeea Lindner Marie Colinet 2010 im Rahmen des Wilhelm-Fabry-Jahres dargestellt.

Frau ohne Gesicht: So hat die Künstlerin Razeea Lindner Marie Colinet 2010 im Rahmen des Wilhelm-Fabry-Jahres dargestellt.

Foto: Razeea Lindner

1) Wann und wo Marie Colinet geboren und gestorben ist, weiß man bis heute nicht genau. Man vermutet, dass sie vor 1587 in Genf geboren wurde und dass sie nach 1638 in Bern gestorben ist. Es gibt auch kein Bild von ihr. Historisch gesichert aber ist das Datum ihrer Hochzeit mit Wilhelm Fabry am 30. Juli 1587 in Genf. Als Tochter eines Buchdruckers mit französischer Abstammung kann Marie Colinet schreiben und lesen, was vor über 400 Jahren für Frauen etwas Besonderes ist. Sie hat Platon und andere antike Autoren gelesen. Wilhelm Fabry lässt sogar ein Buch des deutschen Theologen Johannes Gerhard eigens für sie ins Französische übersetzen.

2) „Colinette“ nennt Wilhelm Fabry seine Frau liebevoll. Beide leben als jung vermähltes Paar von 1589 bis 1592 in Hilden. Marie Colinet hat ein dickes, über 800 Seiten starken Buch verfasst. Im „Alphabet Nouveau“ setzt sich die streng gläubige Calvinistin mit Aberglauben, Hexerei und Sittenregeln auseinander. In seinen Briefen spricht Wilhelm Fabry von Marie liebevoll als von „seiner Hausfrau“.

 Das Bild zeigt den berühmten Wundarzt Wilhelm Fabry.

Das Bild zeigt den berühmten Wundarzt Wilhelm Fabry.

Foto: Fabry-Museum Hilden

3) Marie Colinet gilt zu ihrer Zeit als berühmteste Hebamme der Schweiz, wo beide später leben. Sie hat 1623 erstmals einen stumpfen Haken zur Erweiterung enger Geburtswege erfolgreich eingesetzt. Im Mai 1603 führt sie erfolgreich einen Kaiserschnitt durch. Sie behandelt als Wundärztin auch Knochenbrüchen und Gelenksverrenkungen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen Wilhelm Fabrys holt sie am 5. März 1624 einen Stahlsplitter mit einem Magneten aus dem Auge eines Patienten. Obwohl Fabry in seinem Bericht über diese Behandlung (5. Centurie, Observatio 21) das neue Verfahren wahrheitsgemäß als Erfindung seiner Frau beschreibt, wird die bis heute angewandte Magnetextraktion dennoch weithin mit ihm in Verbindung gebracht. Bedingt durch Fabrys weite Reisen muss Marie ihn in der Praxis häufig vertreten.

 Marie Colinet ist eine der berühmtesten Hebammen ihrer Zeit in der Schweiz.

Marie Colinet ist eine der berühmtesten Hebammen ihrer Zeit in der Schweiz.

Foto: dpa/Annette Riedl

4) Auch was Glaube und Moral angeht, ist sich das Paar einig: Strenge in der Erziehung, auch Schläge, sollen die Kinder von unchristlichem Tun abhalten. Jugend, so ihre Überzeugung, sei nicht zum Vergnügen da, sondern um sich Wissen anzueignen. Eitelkeit, Stolz und Hochmut gelten als Sünden. Ausgeschnittene Kleider, Tanz oder Kartenspiel auch.

 2016 wird die städtische Sekundarschule im Holterhöfchen nach Marie Colinet benannt.

2016 wird die städtische Sekundarschule im Holterhöfchen nach Marie Colinet benannt.

Foto: Christoph Schmidt

5) Acht Kinder schenkt Marie Colinete ihrem Mann Wilhelm Fabry, sieben sterben noch zu ihren Lebzeiten. Als der älteste Sohn 1595 mit sieben Jahren einem Nierenleiden erliegt, lässt der Vater ihn für wissenschaftliche Zwecke in Köln sezieren.

 Wundärzte bei der Arbeit zur Zeit von Marie Colinet: Sie waren Praktiker, im Gegensatz zu den Theoretikern der Universitäten.

Wundärzte bei der Arbeit zur Zeit von Marie Colinet: Sie waren Praktiker, im Gegensatz zu den Theoretikern der Universitäten.

Foto: Redaktion NGZ

6) Als Fabry als Stadtchirurg in Bern am 15. Februar 1634 im Alter von fast 74 Jahren an Asthma stirbt, lebt außer seiner Frau Marie nur noch sein Sohn Johannes. Er ist ebenfalls Wundarzt geworden, hat den Vater auf vielen Patienten-Besuchen begleitet und übernimmt dessen Nachfolge. Und er sammelt und veröffentlicht 1637 sämtliche Ehrungen, die seinem Vater Wilhelm posthum aus dem In- und Ausland zuteil werden. Gestorben ist Marie Colinet vermutlich nach 1638. Das Todesdatum ist eine Schätzung. In den Berner Ratsprotokollen über die Abwicklung des Erbes von Wilhelm Fabry ist kein Wort über Marie Colinet zu finden. Deshalb hat man vermutet, dass sie damals nicht mehr lebt.

7) 2013 gründet der Stadtrat eine städtische Sekundarschule, 2016 soll sie einen eigenen Namen bekommen. Schüler, Eltern und Lehrer haben gemeinsam lange hin und her überlegt. Neue Namen werden kreiert wie Sekundaro, Hilmax, SekHil oder Hisek. „Letztlich überzeugen konnten sie jedoch alle nicht“, berichtet Schulleiterin Sabine Klein-Mach. Auch Namen wie Helmut Schmidt seien aufgetaucht. Er wird jedoch verworfen. Schmidt ist zweifellos ein großer Staatsmann. Das Bild des Kettenrauchers entspricht jedoch nicht dem Gesundheitsauftrag einer Schule. Schüler, Eltern und Lehrer favorisieren Marie Colinet. Der Schulausschuss stimmt zu. Die Vorgängerschule (Wilhelm-Fabry-Realschule) hatte den Namen ihres berühmten Mannes getragen. Jetzt sei mal seine Frau dran, ist man sich einig. Eine späte Würdigung für Marie Colinet, nach der auch eine Straße in Hilden benannt ist.

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