Hilden Platz für Leo-Meyer-Stele gefunden

Hilden · Im September 2020 beschloss der Stadtrat, den jüdischen Mitbürger Leo Meyer mit einer Stele zu ehren. Jetzt scheint endlich ein Standort gefunden worden zu sein. Warum die Suche zwei Jahre gedauert hat.

 Vor der Mauer der Reformationskirche (etwa wo die beiden Büsche stehen) könnte die Stele für Leo Meyer stehen.

Vor der Mauer der Reformationskirche (etwa wo die beiden Büsche stehen) könnte die Stele für Leo Meyer stehen.

Foto: Christoph Schmidt

Leo Meyer (1891-1953) stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie (Vieh- und Futtermittelhandel) in Hilden. Vier Jahre lang kämpft er im Ersten Weltkrieg als Soldat für sein Vaterland. 1917 wird er Ortskommandant in Oost-Malle, einer Kleinstadt im besetzten Belgien. Dort leiden Hunderte von französischen Flüchtlingen aus Lille große Not. Meyer hilft: Mehrfach lässt er heimlich Lebensmittel in ein Kloster schaffen, das die Spenden verteilt. Mehr noch: Er bittet seinen Vater um Geld. Dieser schickt ihm 5000 Goldmark, damals ein Vermögen. Er gibt das Geld der Oberin und bittet sie, damit die Flüchtlinge zu versorgen. Die Nonnen nennen ihn „le bon boche“, „der gute Deutsche“.

Die Pogromnacht am 9. November 1938 ist in Hilden besonders schlimm. Hier sterben sieben Menschen, überproportional viele gemessen an der Einwohnerzahl (damals 22.000). Auch Leo Meyer und seine Familie werden Opfer. Leo wird schwer verletzt, sein Vater Nathan stirbt einige Tage später an den Misshandlungen.

 Leo Meyer (1891-1953) auf dem Cover des Buchs von Barbara Suchy, das im Droste-Verlag erschienen ist.

Leo Meyer (1891-1953) auf dem Cover des Buchs von Barbara Suchy, das im Droste-Verlag erschienen ist.

Foto: Christoph Schmidt

Anstifter der Mörderbande ist der NS-Ortsgruppenleiter Heinrich Thiele – ein Nachbar. Leo Meyer flieht 1939 nach Belgien und bittet völlig mittellos im Kloster von Oost-Malle um Hilfe. Die Oberin erkennt „le bon boche“ – und hilft. Als die Wehrmacht Belgien überfällt, wird Leo Meyer in dem berüchtigten Lager Gurs in Vichy-Frankreich interniert. Ohne die Lebensmittelpakete von Oberin Beatrix wäre er dort verhungert. Die Französin tut alles, wirklich alles, um ihn dort herauszuholen. 1941 hat sie Erfolg: Leo Meyer erhält „Erholungs-Urlaub“, wird befristet entlassen.

Der Bruder der Äbtissin, der Müller Joseph Briquet, nimmt ihn bei sich zu Hause auf. Dort kann sich der deutsche Jude bis Kriegsende verstecken. Obwohl viele in dem kleinen Dorf Antisemiten sind, wird er nicht verraten.

1949 kehrt Meyer nach Hilden zurück, kämpft um Wiedergutmachung. Nazi-Nachbar Thiele hatte sich die fünf Häuser der Meyers samt dem dazu gehörigen Land unter den Nagel gerissen. Gerichte sprechen Thiele frei. Leo Meyer findet keine Gerechtigkeit und stirbt – krank und zermürbt – 1953 mit 58 Jahren: „Die Zeiten, die ich durchgemacht habe, haben mich umgebracht.“

Diese herzzerreißende Geschichte hat die Hildener Historikerin Barbara Suchy aufgeschrieben – als „dokumentarische Erzählung“, gestützt auf 200 Briefe von Leo Meyer an Freunde.

Die Hildenerin Therese Neuhaus möchte an Leo Meyer erinnern – an seine Menschlichkeit und „beispiellose Tat während des Ersten Weltkrieges, als er in Malle Hunderte Menschenleben rettete“. Sie stellt einen Bürgerantrag – und der Stadtrat stimmt zu. Das war vor zwei Jahren: Was ist seitdem geschehen?

Die Suche nach einem geeigneten Standort war offenbar schwieriger als erwartet. Antragstellerin Therese Neuhaus wünschte sich die Stele im Bereich Mittelstraße/Bismarckstraße – weil Leo Meyer dort zuletzt gewohnt hatte.

. Diesen Standort hielt die Verwaltung jedoch für nicht geeignet. Neben einer zentralen Lage gehe es auch darum, dass der Standort die Möglichkeit biete, „inne zu halten und zu gedenken“. Dafür kämen aus Sicht des Rathauses drei Standorte in Frage: 1) Grünfläche Mühlenstraße gegenüber Zugang zur Mittelstraße. 2) Grünfläche Fußgängerbrücke Zuweg Bismarckstraße./Nove-Mesto-Platz. 3) Grünfläche Fritz-Gressard-Platz vor der Stadthalle. Dieser letzte Standort erschien der Verwaltung als am besten geeignet.

Damit konnte sich allerdings Antragstellerin Therese Neuhaus überhaupt nicht anfreunden. Sie schlug zwei alternative Standorte vor: am Bürgerhaus auf der Mittelstraße und am direkten Brückenbereich Itter/ Bismarckstraße. Damit hatte wiederum die Verwaltung Bauchschmerzen. Ausweg aus der verfahrenen Situation: Die Stele für Leo Meyer soll an der Reformationskirche auf Kirchengrund aufgestellt werden. Darüber müssen noch die Gremien der evangelischen Gemeinde Hilden beraten. Am 21. März entscheidet das Presbyterium. Therese Nehaus: „Ich wäre darüber sehr glücklich, wenn die Stele an die Mittelstraße kommt.“

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