Hilden Integrationshelfer verzweifelt gesucht

Hilden · Nils ist 18 Jahre alt und möchte wie jeder andere junge Mann leben. Da er unter Muskelschwund leidet, braucht er dafür einen Helfer.

 Nils und Alexandra Biletzki – ein möglichst eigenständiges Leben im Rollstuhl bedarf guter Planung.

Nils und Alexandra Biletzki – ein möglichst eigenständiges Leben im Rollstuhl bedarf guter Planung.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Nils ist auf einen Rollstuhl angewiesen und auf einen Integrationshelfer, damit er sich am schulischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben beteiligen kann. Doch hier tun sich immer wieder Probleme auf, die die ganze Familie von Nils in unregelmäßigen Abständen vor neue Prüfungen stellt – zum Beispiel jetzt. Zum 1. Mai hat sein aktueller Integrationshelfer bei seinem Hildener Trägerverein gekündigt. Ein wichtiger Baustein im Netzwerk der Familie, die sich seit jeher um die besonderen Bedürfnisse von Nils kümmern muss – das bringt einiges durcheinander. „Ich habe bereits 16 E-Mails an verschiedene Träger geschickt, um einen neuen Integrationshelfer zu bekommen“ und nur zwei Rückmeldungen erhalten: eine Absage, einmal habe der Integrationshelfer abgelehnt, erzählt Nils Mutter Alexandra. Stress für die ganze Familie, denn für Nils gehört der Schulbesuch zum eigenständigen Leben dazu. Fehlt die Hilfe, kann er nicht zur Schule gehen. Zuhause braucht er dann allerdings auch Hilfe – heißt wiederum, ein Elternteil muss sich auf der Arbeit krank melden. Sitzt die Mutter an ihrem freien Tag an der Suche nach einer neuen Hilfe für Nils, fällt das Shopping-Erlebnis mit der Tochter flach, die sich dann, wieder einmal, enttäuscht hinten anstellen muss.

„Kein Einzelfall“, weiß Birgitt Gießler von der Freizeitgemeinschaft Behinderter und Nichtbehinderter Hilden (FZG), die zur Zeit 83 Integrationshelfer beschäftigt – und weitere gebrauchen könnte. „Es kommt immer wieder vor, dass Mitarbeiter abspringen“, erklärt Gießler, weil sie zum Beispiel schwanger sind oder doch noch einen Ausbildungs- oder Studienplatz bekommen haben – und dann sei es schwierig, kurzfristig einen Ersatz zu finden.

Bei der Suche nach einem passenden Helfer müssten immer auch die extrem unterschiedlichen Aufgaben im Blick behalten werden, meint die Sozialpädagogin. „Bei sozial-emotionalem Unterstützungsbedarf sollte der Helfer ein gestandener Mensch mit Lebenserfahrung sein“, der sich auch nicht so leicht „ins Bockshorn jagen lasse.“ Bei einer geistigen Behinderung empfehle sich eine ausgeprägte Geduld, bei eine körperlichen Behinderung des Klienten rückten schnell pflegerische Leistungen in den Mittelpunkt – das Begleiten von Toilettengängen oder das gemeinsame Essen bis hin zum Füttern sei nun mal nicht jedermanns Sache.

Nils ist fit in der Sprache und im Kopf, nur seine Gliedmaßen, die machen nicht mehr richtig mit. In der Schule braucht er deswegen nicht nur Unterstützung bei Toilettengängen, sondern zum Beispiel auch, um seine Bücher aus der Tasche zu holen, bei längeren Texten braucht er auch Schreibunterstützung. „Es kommt nie Ruhe in so eine Familie“, sagt Alexandra Biletzki und wünscht sich mehr Planungssicherheit, auch für die Träger, die die Integrationshelfer vermitteln. „Es müsste da einen Puffer, vielleicht Springerstellen geben, die in Fällen von Krankheit und ähnlichem einspringen können“ und dafür sollten Städte und Länder das Budget für solche Stellen erhöhen, ist ihre Idee.

Hinsichtlich einer besseren Vergütung habe man bereits mit dem Kreis Mettmann verhandelt, weiß Gießler, die neuen Modalitäten würden jedoch erst im nächsten Jahr greifen. Die FZG wünsche sich vor allem, dass der Einsatz der Integrationshelfer nicht genau nach geleisteten Stunden, sondern nach Wochenstunden vergütet würde. „Auf diese Woche könnte man flexibler planen“, allein schon, wenn einmal der Schulbus Verspätung hat – zusätzliche Wartezeit ist nämlich schon nicht mehr mit eingeplant und wird nicht bezahlt. Finanzielle Ausfälle habe der Träger auch, wenn das zu betreuende Kind krank ist und nicht zur Schule geht. „Unsere Helfer bezahlen wir aber dennoch“, erklärt Gießler. Etwas mehr Geld gebe es auch bei höherer Qualifikation. Für diese biete der Träger Schulungen. Auch sei die Vernetzung zu anderen Trägern wichtig. „Ich sehe diese nicht als Konkurrenz“, sagt Gießler. „Der Bedarf ist so groß, wir sind froh, dass es auch andere gibt.“ Für Alexandra Biletzki und Nils heißt es jetzt weiter hoffen, dass bis zum 1. Mai ein neuer Integrationshelfer gefunden wird.

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