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Medizin und Pflege in Hilden und in Haan „Klatschen auf dem Balkon war wichtig“

Interview | Hilden/Haan · Der Kplus-Geschäftsführer Andreas Degelmann spricht über den Ruf der Pflege und Stellschrauben gegen den Fachkräftemangel sowie von neuen Ausbildungsgängen bis hin zum Zuzug von Mitarbeitern aus dem Ausland.

 Andreas Degelmann ist Sprecher der Geschäftsführung der Kplus-Gruppe. Zu ihr gehören auch die Krankenhäuser in Hilden und in Haan.

Andreas Degelmann ist Sprecher der Geschäftsführung der Kplus-Gruppe. Zu ihr gehören auch die Krankenhäuser in Hilden und in Haan.

Foto: Peter Meuter

„Es geht weniger um die Frage, finde ich einen Arbeitsplatz, sondern, welchen Platz nehme ich?“ sagte Sabine Woitaschek vom Katholischen Bildungszentrum in einem Interview zur Lage von Pflegekräften. Wie stark merken Sie den Fachkräftemangel?

Degelmann Es gibt seit vielen Jahren mehr offene Stellen als Bewerber – in den Häusern der Kplus-Gruppe genau wie überall in Deutschland. Stand heute können wir eine ganze Reihe offener Stellen nicht besetzen, sowohl in den Krankenhäusern als auch in den stationären Pflegeeinrichtungen. Und zwar nicht nur in der klassischen Pflege am Bett, sondern vor allem auch in den sogenannten Funktionsdiensten der Pflege, wie Intensiv- oder OP-Pflege sowie in den Aufnahmeeinheiten.

Wie stellt man unter diesen Bedingungen dann sicher, dass der Betrieb trotzdem funktioniert?

Degelmann Wir haben natürlich Mitarbeiter in diesen Bereichen, hätten aber gerne mehr. Dadurch würde die Belastung für die einzelne Pflegekraft abnehmen und der Beruf würde attraktiver werden. Fakt ist: Unser Altersschnitt liegt je nach Einrichtung zwischen 40 und 43 Jahren. Die „Baby-Boomer-Generation“ nähert sich der Rente, und der Nachwuchs fehlt. Wir benötigen ein Drittel mehr Auszubildende. Darauf haben wir reagiert – mit dem Neubau an unserem Katholischen Bildungszentrum in Haan.

Das Städtische Klinikum wirbt derzeit Pflegekräfte aus dem Ausland an. Wie sieht es damit in der Kplus-Gruppe aus?

Degelmann Vor zwei Wochen kamen fünf philippinische Pflegekräfte zu uns, mit denen wir bereits Anfang des vergangenen Jahres in Kontakt standen, weitere fünf erwarten wir zum Ende dieses Monats. In den katholischen Einrichtungen werden ausländische Pflegekräfte wahrscheinlich länger eingesetzt als von der Öffentlichkeit wahrgenommen: An der St. Lukas Klinik haben wir eine Niederlassung des Indischen Ordens „Missionary Sisters of Mary Immaculata“. Die Missionsschwestern arbeiten seit sehr vielen Jahren auch in unseren Einrichtungen.

Welche Voraussetzungen mussten Sie für den Umzug schaffen?

Degelmann Wir haben den Kontakt über einen speziellen Anbieter geknüpft. Alle neuen Mitarbeiter verfügen über sehr gute Deutschkenntnisse. Dies war uns für die Zusammenarbeit und Integration wichtig. Wir haben den Umzug zusammen mit dem Team der Agentur gut vorbereitet, um sie in ihrer neuen Heimat Willkommen zu heißen. Unsere Maßnahmen gingen klar über die Forderungen des Gesetzgebers hinaus. Wir haben Wohnungen auf unserem Campus renoviert und bereitgestellt, in denen die neuen Kollegen für eine geringe Miete wohnen. Hier hilft ihnen zudem ein vierköpfiges Team, gut anzukommen. Bezahlt werden sie wie jede andere Pflegekraft in Deutschland.

Brauchen die neuen Pflegekräfte einen Anpassungskurs?

Degelmann Ja. Diese Lehrgänge sind verpflichtend. Es hilft auch beim Integrationsprozess, wenn man alles nochmal in Ruhe durchgeht. Wir machen das in unserer eigenen Pflegeschule.

Im Jahr 2020 ist im Katholischen Bildungszentrum die generalistische Ausbildung zur Pflegefachkraft gestartet. Was erhoffen Sie sich davon?

Degelmann Die Ausbildung ist vielfältiger und umfangreicher geworden. Der Vorteil der generalistischen Ausbildung ist, dass die Grenzen zwischen den Branchen, wie stationärer und ambulanter Altenhilfe, Arztpraxen und Krankenhäusern, durchlässiger geworden ist. Die Möglichkeit zu wechseln macht das Berufsbild attraktiver. Das Krankenhaus zum Beispiel ist geprägt vom schnellen Patientenkontakt, in den stationären Einrichtungen dagegen begleitet man Menschen über Monate. Zudem nimmt man im Zuge der Ausbildung ein breiteres Wissen auf. Der Input aus der Altenpflege ermöglicht so auch einen anderen Umgang mit Senioren im Krankenhaus.

Wie lässt sich die Pflege noch aufwerten?

Degelmann Dieses berühmte Klatschen auf dem Balkon war gesellschaftlich durchaus wichtig. Die Pflege hatte vor der Corona-Pandemie keinen guten Ruf, weil vielen nicht klar war, dass sie nicht nur aus Tabletten sortieren und Essen ans Bett schieben besteht, sondern hochspezialisierte Arbeitsbereiche umfasst. Das Bild hat sich durch Corona verändert. Wir erleben auch auf Fachmessen, dass das Interesse an diesem Beruf gestiegen ist. Zusätzlich zur dreijährigen Pflege-Ausbildung bietet die Kplus-Gruppe in Haan und Solingen auch die einjährige Pflegefachassistenz-Ausbildung an. Sie ist ebenfalls generalistisch aufgesetzt und wird deutlich an Bedeutung gewinnen, auch, weil sie ein Einstiegsinstrument sein kann.

Was sind Ihre Forderungen an die Politik?

Degelmann Zunächst einmal müssen Politik, Gesellschaft und Medien aufhören, unkontrolliert über Probleme in diesem Beruf zu reden. Man sollte mehr die hoch engagierten Menschen und ihre Leistungen in den Blick nehmen. Die Politik muss Zukunftsperspektiven entwickeln. Warum ist die Erhöhung von Sozialversicherungsbeiträgen so ein Tabu? Dieses Geld käme eins zu eins bei den Trägern und Mitarbeitenden an. Die Kplus-Gruppe ist ein gemeinnütziges Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht. Wären wir besser ausgestattet, könnten wir über die Tarifverhandlungen ein noch besseres Lohn-Niveau erreichen. Die Pflege ist nicht mehr ganz ein Beruf der mittleren Einkommensklasse, und das muss sie wieder werden. Wir als Träger müssen die Voraussetzungen schaffen, dass Menschen länger in diesem Beruf bleiben und sich auch karrieretechnisch weiterentwickeln können.

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