Energiepreis-Schock in Hilden Familie soll 3192 Euro im Monat für Gas zahlen

Hilden · Bisher beträgt der monatliche Abschlag 92 Euro. Ab 1. November soll Familie Hensmann in Hilden fast das 35-fache zahlen. Es könnte ein Fehler vorliegen. Aber darauf mögen die entsetzten Kunden nicht vertrauen und wollen jetzt wechseln. Aber das ist nicht so einfach.

  Dirk Hensmann hat Post von seinem Gasanbieter bekommen. Er ist entsetzt vom Inhalt des Schreibens.

 Dirk Hensmann hat Post von seinem Gasanbieter bekommen. Er ist entsetzt vom Inhalt des Schreibens.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Als er den Brief seines Erdgas-Anbieters in der vorigen Woche öffnete, glaubte Dirk Hensmann seinen Augen nicht trauen zu können. Mit einem deutlichen Plus beim monatlichen Abschlag hatte er schon gerechnet. Aber der Betrag, der da als monatliche Belastung ab 1. November genannt war, sprengte doch jede Vorstellung: 3192 Euro! Fast 35 Mal so hoch wie der bisherige Abschlag von 92 Euro.

Der Familienvater war verzweifelt – das wäre finanziell keinesfalls zu stemmen. Hensmann versuchte, Kontakt mit Shell-Energy aufzunehmen, seit 2020 Erdgas-Lieferant für die vierköpfige Familie am Bruchhauser Weg in Hilden. Doch alle Versuche blieben in Warteschleifen hängen. „Ich hoffe, es ist ein Berechnungsfehler“, sagte Dirk Hensmann im Gespräch mit der Redaktion. Aber darauf möchte er nicht vertrauen. Und strebt den Wechsel zu einem anderen Anbieter an.

Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, rät, vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen, das bei Preiserhöhungen besteht. „Je früher, desto besser!“ Den Abschlagbetrag von 3192 Euro kommentiert er knapp: „Neuer Rekord!“

Die Stadtwerke Hilden sollen für Dirk Hensmann erster Ansprechpartner sein; er ist dort Kunde bei Wasser und Strom. Vor zwei Jahren habe er schlechte Erfahrungen mit einem Gasanbieter gemacht, den er über ein Vergleichsportal gefunden hatte. Die Suche nach einer Alternative führte ihn zu Shell Energy. Die hätten damals „wettbewerbsfähige Preise“ aufgerufen. Und auch der internationale Markenname Shell habe „ein gewisses Vertrauen“ gegeben, erklärt Hensmann seine damalige Entscheidung gegen die Stadtwerke Hilden, die ansonsten sein „höchstes Vertrauen“ genießen. Inzwischen, so Hensmann, sei er aber auch bereit, „einen höheren Preis zu bezahlen, bei der Sicherheit im Rücken“.

Shell Energy erhöht den Arbeitspreis von derzeit 12,51 Cent je Kilowattstunde auf 43,61 Cent. Der Grundpreis steigt von 21,19 Euro auf 25,11 Euro je Monat (301,32 Euro im Jahr). Dieser Preis liegt deutlich über dem der Stadtwerke Hilden. Die würden den potenziellen Neukunden erst einmal in der Ersatzversorgung aufnehmen. Da kostet der Grundpreis im Jahr 179 Euro brutto und der Arbeitspreis 38,01 Cent je Kilowattstunde. Hat der Kunde innerhalb von drei Monaten keinen neuen Anbieter gefunden, soll die Möglichkeit zum Wechsel in die Grundversorgung bestehen, erklärt Stadtwerke-Sprecherin Sabine Müller. Da kosten im Tarif „hildenGas klassik“ die Kilowattstunde (ab 1. November) 16,88 Cent und der Grundpreis pro Jahr 103,40 Euro.

Die Verbraucherzentrale sieht diese Wechselmethode anders. „Der Kunde sollte direkt in die Grundversorgung übernommen werden“, meint Udo Sieverding. Er weiß um die strittige Diskussion. Denn die Versorger haben ihre Gasmengen kalkuliert und eingekauft. Stoßen viele neue Kunden in diesen teuren Zeiten hinzu, muss bald Gas sehr teuer nachgekauft werden, was dazu führt, dass auch die Bestandskunden bald sehr viel stärker belastet werden müssen. Sieverding ist aber gegen den „Straftarif Ersatzversorgung“. Denn die Kunden hätten sich zuvor im normalen Wettbewerb bewegt und sich damals halt für einen günstigeren Anbieter entschieden.

„Kostensteigerungen dürfen Anbieter weitergeben“, stellt Gregor Hermanni, Sprecher der Verbraucherzentrale, klar. Der monatliche Abschlag lasse sich überschlagen aus dem Verbrauch (im Falle Hensmann 22.000 Kilowattstunden im Jahr) mal dem Arbeitspreis plus dem Grundpreis durch 12. „Das ist angemessen. Was darüber hinaus geht, sollten Kunden tunlichst vermeiden.“ Denn sie trügen das Insolvenzrisiko. Werde der Versorger zahlungsunfähig, sei zu viel bezahltes Geld verloren.

Und was sagt Shell Energy zu dem exorbitanten Anstieg des Monatsabschlags? Unternehmenssprecher Florian Möbius verweist auf die enormen „Beschaffungskosten gerade für Gas, die in den letzten 12 Monaten zeitweise um das Zehnfache gestiegen“ seien. „Diese Preissteigerungen können wir als Unternehmen nicht abfedern und sind daher gezwungen, diese an unsere Kunden weiterzugeben“. Im Fall Hensmann „scheint auf jeden Fall ein Fehler vorzuliegen“. Möbius leitete das Schreiben zur Preisänderung „an unseren Kundenservice weiter“, sagte Möwius zu. Eine Antwort könne einige Tage dauern, „da wir aktuell viele Anfragen bekommen“. – Wir bleiben dran.

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