Serie Haltestellen-Geschichten Hagel, Hitlerjugend, Heimatgeschichte

Hilden · Thomas Bernhardt, Begründer der Geschichtswerkstatt, hat im Auftrag der Rheinbahn Geschichten zur Haltestelle „Hagelkreuz“ recherchiert. Ein Blick in die Historie unserer Heimatstadt.

 1930 wurde das Hagelkreuz aus der Luft fotografiert. Am oberen Bildrand ist die Reformationskirche zu erkennen.

1930 wurde das Hagelkreuz aus der Luft fotografiert. Am oberen Bildrand ist die Reformationskirche zu erkennen.

Foto: Stadtarchiv Hilden

Das Hagelkreuz in Hilden ist eine ganz besondere Kreuzung. An ihr treffen gleich sieben Straßen aufeinander. Von Norden kommen die Schulstraße und die Klotzstraße, von Osten kommt die Südstraße, aus südlicher Richtung kommen die Hagelkreuzstraße, die Richrather Straße, sowie die Schützenstraße und schließlich aus westlicher Richtung stößt die Neustraße auf der Kreuzung mit den anderen Straßen zusammen.

Jede Straße für sich hat wieder eine eigene Geschichte oder Bedeutung. Der Begriff Hagelkreuz stammt noch aus der Zeit, als Hilden und die Umgebung sehr ländlich geprägt waren. Eine gute Bewirtschaftung der Bauernhöfe und der Felder ringsum war nicht nur für den Bauern, sondern auch für den ganzen Ort nützlich, ja lebensnotwendig. Wie in anderen Orten, so auch in Hilden, war es für die ländliche Bevölkerung darum wichtig, bei Bitt-Prozessionen an Bildstöcken, Kapellen oder Wegekreuzen im Halt zu machen und im Gebet sich Gottes Segen zu erbitten. Dieser Segen sollte auch Schutz vor Unwetter mit Blitzeinschlag oder Hagelschauer bieten. Denn sollte beispielsweise Hagel die ganze Ernte vernichten, dann konnte es einem Dorf oder einer Hofschaft schon sehr übel gehen. Kein Korn bedeutete kein Brot, Hungersnot, womöglich Krankheiten – und Bauer, Müller, Bäcker oder Kutscher verdienten kein Geld.

Die Klotzstraße geht auf eine alte Ortsbezeichnung zurück, als die Straße noch ein Fußweg war, der „vor einem Klotz an einem Bach endete“. An der Klotzstraße steht heute noch ein Hotel, das bis 1970 das Verwaltungsgebäude der 1832 in Elberfeld gegründeten Halbseidenwaren- und Bandfabrik Kampf & Spindler war. 1970 hieß das Textilunternehmen Paul-Spindler-Werke KG, und die Produktionspalette der großen Weberei hatte sich enorm verändert.

 Das Hagelkreuz um 1905 - rechts im Hintergrund sieht man die Bahnschranken, wo sich jetzt die Bahnbrücke der Richrather Straße befindet.

Das Hagelkreuz um 1905 - rechts im Hintergrund sieht man die Bahnschranken, wo sich jetzt die Bahnbrücke der Richrather Straße befindet.

Foto: Stadtarchiv Hilden

Ein anderes bekanntes Gebäude steht an der Ecke Klotzstraße, Schulstraße. Es ist das „Haus der Jugend“, das 1939 eingeweiht wurde als ein Haus für die Hitler-Jugend in Hilden. In der Nachkriegszeit waren verschiedene Mieter in dem Gebäude: britische Besatzungsmilitärs, Feuerwehrschule, Jugendherberge, und schließlich dienten Räume des Hauses der Musikschule, der Volkshochschule oder verschiedenen Vereinen zur Nutzung. Die Einrichtung eines „Selbstverwalteten Jugendzentrums“ wurde diskutiert, und heute werden die Räume von der benachbarten Grundschule, von einer Kita und vom Kinderschutzbund genutzt.

Der Name Schulstraße geht auf eine evangelische Volksschule zurück, die im Jahr der Stadterhebung Hildens – 1861 – eröffnete. Vorher hieß die Straße Feldstraße und war Teil des uralten Handelsweges „Mauspfad“ in Fortsetzung der Richrather Straße bis nach Düsseldorf-Gerresheim und weiter. In den 1870ern musste diese Schule erweitert werden. Und ganz modern, 1902 eröffnete eine „Gewerbliche Fortbildungsschule“ darin für Schulpflichtige, die schon nach Verlassen der Volksschule sehr jung in Arbeitsverhältnisse gingen. Unterricht war abends von 18.30 bis 20.30 Uhr oder sonntagvormittags.

  Grundsteinlegung des Hitlerjugendheims an der Schulstraße im Jahr 1939.

Grundsteinlegung des Hitlerjugendheims an der Schulstraße im Jahr 1939.

Foto: Stadtarchiv Hilden

Gegenüber der Schule wurde 1901 das evangelische Gemeindehaus eröffnet, es gab einen Saal und Ende der 1920er einen Kindergarten. Heute ist die Arbeiterwohlfahrt Mieter des städtischen Gebäudes Schulstraße 35 mit seinem Josef-Kremer-Haus.

Die Südstraße bekam ihren Namen aufgrund der Lage südlich der Innenstadt. Sie führt vom Hagelkreuz in östliche Richtung, wo sie auf die Heiligenstraße trifft. Zahlreiche Häuser zeigen noch den alten Baustil mit Stuck-Elementen im Jugendstil und wurden um 1900 oder ein paar Jahre später erbaut.

Die Hagelkreuzstraße besteht ebenfalls aus vielen Häusern, die zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg gebaut wurden. Vor über 130 Jahren machte man einen „hallstattzeitlichen Grabfund“ und später wurde ein geschliffenes Steinbeil gefunden. Ein allen Hildenern bekanntes Gebäude steht an der Ecke Kirchhofstraße. Die Capio Klinik im Park. 1896 wurde hier eine Villa gebaut, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Briten als Offiziersmesse nutzten. Dr. Clemens Biermann betrieb hier fast 30 Jahre lang ab 1955 eine Frauenklinik, in der mehr als 32.000 Babys zur Welt kamen. Ab 1984 wird eine der wenigen Venenkliniken Deutschlands daraus, und heute werden in dem Altbau und einem modernen Neubau daneben rund 20.000 Patienten jährlich erfolgreich bei Venenleiden behandelt. Nicht weit davon ist der S-Bahn-Haltepunkt für die Strecke zwischen Solingen und Dortmund (S1).

An der Ecke Hagelkreuzstraße und Richrather Straße steht die Gaststätte „Hagelkreuz“, 1905 gebaut und 2016 unter Denkmalschutz gestellt. Hier werden Gäste heute mit italienischen Spezialitäten verwöhnt. Zur Vorgänger-Gastwirtschaft gehörte Anfang des 19. Jahrhunderts eine Kornbranntwein-Brennerei. Neben der Gaststätte soll auch das „Hagelkreuz“ gestanden haben, von dem es keine bekannte Abbildung gibt.

Die Richrather Straße führt kilometerlang durch den Hildener Süden bis an die Stadtgrenze zu Langenfeld. Sie war ein Teil eines uralten Mauspfades (Handelsweg) und ist heute eine der Hauptverkehrsstraßen Hildens.

An der Ecke Richrather Straße, Schützenstraße steht das neue „Pub“, das aktuell für das junge Hilden einer der traditionellen Kneipen-Anlaufstelle ist. Es ist noch nicht lange her, als das alte „Black Pub“ (seit 1969) mit Schuppen und Außen-Ausschank direkt gegenüber, schließen musste und abgerissen wurde. Traditionell sind auch die Weihnachtsgesänge am Vormittag des Heiligabends, wenn man nicht zu Hause unter dem Weihnachtsbaum sitzen möchte. Dann war und ist der „Pub“ immer gerammelt voll.

Die Schützenstraße ist nach dem Haus und dem Schießstand der Hildener Schützengesellschaft benannt worden. An der Schützenstraße wurden auch vielfach große Schützenfeste mit Krönungsball auf dem Schützenplatz gefeiert. Noch vor der Eisenbahnbrücke, etwa 100 Meter vom Hagelkreuz entfernt, ist das erste Hildener Krankenhaus eröffnet worden. Am Feiertag des Heiligen Josef begann die stationäre Krankenpflege in Hilden, die noch heute unter dem Namen „St. Josefs Krankenhaus“ einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge in der Region leistet. Es war der 19. März 1890, als Schwestern des „Ordens der Armen Dienstmägde Jesu Christi“ sich anfangs unter der Leitung des Hildener Sanitätsrates Dr. Eduard Vogelsang um kranke oder verletzte Hildener kümmerten. Nach Plänen von Pfarrer Josef Schmitz und Pfarrer Robert Schmitz aus den 1880er Jahren baute man das Krankenhaus an der Schützenstraße auf dem Gelände der leerstehenden Keller-Brauerei.

An der Ecke Schützenstraße, Neustraße stehen die Hallen und Gebäude der Firma Lindopharm. Gegründet wurde die Firma in Hilden und hat seit 1967 ihren Sitz an der Neustraße. Lindopharm produziert und vertreibt Arzneimittel, und arbeitet als Dienstleister für andere Pharma-Unternehmen.

Die Neustraße ist teilweise neu angelegt und befestigt worden, woher auch der Name stammt. Sie führt kurvenreich am Finanzamt Hilden vorbei bis zur Bahnhofsallee. 1913/14 war sie noch als westliche Weiterführung der „Südstraße“ geplant.

Am Hagelkreuz treffen sich traditionell zu Karneval jedes Jahr zum Rosenmontagszug die Jugendlichen und Junggebliebenen von Hilden, um ausgelassen zu feiern, was in den letzten Jahren zu einem Glasverbot führte.

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