Erste Abschlagsforderung über 3192 Euro Hildener Familie soll "nur noch" 2500 Euro im Monat zahlen

Hilden · Die Hildener Familie, die bei ihrem Gasanbieter Shell Energy ab 1. November einen Gasabschlag von 3192 Euro monatlich zahlen sollte, hat eine Mail vom Kundenservice erhalten. Die Kunden hatten aber anderes von einer Antwort erwartet. Denn die Antwort nun macht fassungslos.

 Dirk Hensmann kann nicht fassen, was in den letzten Schreiben seines Gasanbieters zu lesen stand.

Dirk Hensmann kann nicht fassen, was in den letzten Schreiben seines Gasanbieters zu lesen stand.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

„Gern haben wir uns um Ihr Anliegen gekümmert und unsere Unterlagen geprüft“, heißt es in einer Antwort von Mittwoch. Die Prüfung scheint erfolgt. Doch ihr Ergebnis schwächt das Entsetzen von Dirk Hensmann über den Bescheid vom 14. September zur ursprünglichen Preiserhöhung aber nicht ab. „Ich weiß nicht, was die machen. Es scheint so, als würfeln die die Zahlen für den Abschlag aus!“, empört sich der Verbraucher. Denn: Jetzt soll der neue Abschlag monatlich 2500 Euro betragen. „Wie soll das für einen normalen Haushalt zu stemmen sein?“, fragt sich Dirk Hensmann. Der vierköpfige Haushalt verbraucht im langjährigen Durchschnitt 22.000 Kilowattstunden Erdgas im Jahr. Vor zwei Jahren wechselte der Hildener zu Shell Energy, weil er dem Namen der Weltmarke Shell vertraute und der Versorger damals wettbewerbsgerechte Preise offerierte. Doch mit dem Schreiben von Mitte September bröselte das Vertrauen in sich zusammen.

„In diesem Fall scheint auf jeden Fall ein Fehler vorzuliegen“, hatte die Pressestelle von Shell Energy am Montag die Tatsache bewertet, dass die Erdgaskunden Hensmann ab 1. November monatlich 3192 statt bisher 92 Euro steigen sollte.

Der Kundenservice, an den der Vorgang weitergeleitet wurde, zeigt in seiner Antwort nicht auf, warum 2500 Euro aufgerufen werden sollen. Verwiesen wird stattdessen darauf, „dass Ihre Jahresverbrauchsabrechnung zum 31.12.2022 erstellt wird und es sich bei den Monaten November und Dezember um die verbrauchsstärksten Monate handelt.“ Was nicht stimmt. Denn das sind die Wintermonate Januar und Februar.

Gregor Hermanni, Sprecher der Verbraucherzentrale NRW, erklärt die Berechnung eines Abschlags: Verbrauch mal Arbeitspreis plus Grundpreis durch 12. Diese Formel, auf Familie Hensmann angewendet, führt zu folgenden Zahlen: 22.000 kWh Verbrauch mal 43,61 Ct/kWh = 9594,20 Euro plus Grundpreis 301,32 Euro = 9895,52 Euro durch 12 = 824,63 Euro monatlicher Abschlag. Und Hermanni empfielt, nicht höhere Abschläge zu zahlen. Denn der Verbraucher trägt das Insolvenzrisiko. Würde der Anbieter zahlungsunfähig, wäre das zuviel geleistete Abschlagsgeld verloren.

Für welchen Verbrauch stünde eine Abschlagszahlung von 2500 Euro im Monat? 12 Abschläge summieren sich auf 30.000 Euro im Jahr. Davon 301,32 Euro Grundpreis abgezogen, verbleiben 29.698,68 Euro für den Arbeitspreis. Diese Summe reicht für 68.100 Kilowattstunden, was weit mehr als dreimal den durchschnittlichen Jahresverbrauch der Hensmanns abdecken würde.

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Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Eine Anfrage der Redaktion bei Shell Energy zur Antwort vom Kundenservice blieb bisher ohne Reaktion. Kunde Dirk Hensmann ist derzeit mit den Stadtwerken Hilden als örtlichem Versorgungsunternehmen im Gespräch, wo die Familie ihr Wasser und auch den Strom kauft.

Die Verbraucherzentrale registriert eine erhöhte Zahl von Ratsuchenden und hat festgestellt, dass die Energiekrise inzwischen auch arbeitende Menschen mit geringem Einkommen und Rentner erreicht. Doch auf die vielfach gestellte Frage „Wie sollen wir das bezahlen?“ haben die Verbraucherschützer keine pauschale Antwort.

„Der Wechsel von einem teuren Sondertarif in die Grundversorgung kann in vielen Fällen sinnvoll sein“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale. „Zumal in der Grundversorgung nach neuer Rechtslage bei den Preisen nicht mehr nach Bestands- und Neukund:innen unterschieden werden darf.“ Bei der Verbraucherzentrale häufen sich allerdings Beschwerden, nach denen Energieanbieter die sofortige Belieferung in der Grundversorgung ablehnen und zunächst für drei Monate in der Ersatzversorgung zu höheren Preisen beliefern wollen. „Verbraucher:innen müssen dann hartnäckig bleiben“, rät der Experte.

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